Debatte um Hauptmarkt: "Nürnberg ist nicht Neuschwanstein!"

12.3.2016, 06:00 Uhr
Der District Ride 2014 ist Geschichte. 84.000 Zuschauer waren begeistert vom Trick-Feuerwerk der weltbesten Freeride-Mountainbiker, das sie auf dem Kurs von der Kaiserburg bis zum Hauptmarkt zeigten. Einige Anwohner jedoch waren genervt.

© Thilo Schumann Der District Ride 2014 ist Geschichte. 84.000 Zuschauer waren begeistert vom Trick-Feuerwerk der weltbesten Freeride-Mountainbiker, das sie auf dem Kurs von der Kaiserburg bis zum Hauptmarkt zeigten. Einige Anwohner jedoch waren genervt.

"Nürnberg ist  die Stadt des Christkindlesmarkts, der Lebkuchen und Bratwürste" – da will keiner der Zuhörer Philipp Langenbach widersprechen. "Aber Nürnberg ist auch die Stadt des Red Bull District Ride." Mit dieser These sorgt der Kreativdirektor einer Werbeagentur dann schon für ein Raunen im Saal des Hauses Eckstein, wo vier Diskutanten über die künftige Nutzung des Hauptmarkts debattieren.

Debatte um Hauptmarkt:

Langenbach hatte vergangenes Jahr eine Online-Petition für eine möglichst große Bandbreite an Veranstaltungen auf dem Hauptmarkt gestartet, weil er einer Erklärung der Altstadtverbände etwas entgegensetzen wollte. Diese hatten kritisiert, dass die gute Stube der Stadt zur Kulisse von kommerziell orientierten Sportveranstaltungen wie eben dem besagten Hindernisrennen der Mountainbiker oder dem Beachvolleyballturnier degradiert werde – mit unangenehmen Begleiterscheinungen für die Anwohner in der Altstadt.

Bei der Diskussion beklagt Elisabeth Most, Chefin des Bürgervereins Altstadt, denn auch Lärm und Wildpinkelei bei den genannten Großereignissen. Sie fordert einen "sorgfältigen, maßvollen Umgang mit dem Hauptmarkt" und eine Stärkung des Wochenmarkts, der nicht nur der Nahversorgung diene, sondern auch eine soziale Funktion als Treffpunkt erfülle.

"Die massive Versandung schadet den Kunstwerken der Frauenkirche", sagt wiederum Christine Körber mit Blick auf das Volleyballturnier. Die Vorsitzende des Frauenkirche-Fördervereins hat nichts gegen Bardentreffen oder Christkindlesmarkt, "aber was sich in den vergangenen Jahren eingebürgert hat, ist ein anderes Niveau". Das seien reine Werbeveranstaltungen. Eine Zuhörerin und Altstadtbewohnerin schlägt mit ihrer Wortmeldung in dieselbe Kerbe: "Die Stadt liefert sich einem Getränkehersteller aus, der uns benutzt."

Fraas: "Wir sind darauf angewiesen!"

Debatte um Hauptmarkt:

Langenbach hält dagegen, dass die Frankenmetropole durch den District Ride selbst auch Werbung für sich betreibe: "Wir kommen an Menschen heran, die sich Nürnberg sonst gar nicht anschauen würden." Über fünf Millionen Leute hätten die Mountainbikedarbietungen im Internet angeklickt. Zudem kämen die Besucher ja nicht wegen der Brause des Sponsors, sondern wegen "außergewöhnlicher Leistungen auf zwei Rädern" – es gehe eben schon um Sport.

Unterstützung bekommt Langenbach von Wirtschaftsreferent Michael Fraas. Der CSU-Politiker hält das Argument mit der Werbung schon alleine deshalb für völlig verfehlt, weil die Stadt Nürnberg für ihre eigenen traditionellen und respektierten Veranstaltungen auch Werbepartner benötigt, um sie durchführen zu können. "Wir sind darauf angewiesen!" Bei der „Blauen Nacht“ arbeitet die Stadt zum Beispiel mit einem Versicherungsunternehmen zusammen, dem eine gewisse Vorliebe für eben diese Farbe nicht abgesprochen werden kann.

"Nürnberg soll nicht wie Neuschwanstein sein"

Fraas teilt die Position Langenbachs, dass Nürnberg seine Attraktivität für auswärtige Besucher durch besondere Veranstaltungen auf dem Hauptmarkt eher erhöht. Er hält es für eine "Legende", wenn Körber von "entsetzten Touristen" spricht, und argumentiert, dass man als Stadt an den "Touristen von morgen" herankommen müsse. Außerdem betont der Referent, dass die Stadt den von Bürgervereinschefin Most geforderten "maßvollen Umgang" mit dem Hauptmarkt längst pflege: "Wir könnten den Platz jeden Tag vermieten. Einen Großteil der Anfragen lehnen wir ab."

Während Christine Körber eine Lanze für die traditionellen Veranstaltungen bricht, betont Langenbach, dass die Frankenmetropole "zeitgemäß" bleiben und auch einmal frische Wege beschreiten müsse. "Nürnberg soll nicht wie Neuschwanstein sein", sagt der Kreativdirektor, dem es wichtig ist zu betonen, dass sein Arbeitgeber nichts mit den Veranstaltungen im Stadtzentrum zu tun habe. "Ich verfolge kein wirtschaftliches Interesse. Mir ging es mit der Petition einfach darum, zu zeigen, dass es auch Bürger in dieser Stadt gibt, die sich darüber freuen, wenn auf dem Hauptmarkt etwas Besonderes stattfindet." Von dem Echo auf seine Initiative sei er selbst überrascht gewesen – allerdings macht eine Besucherin in ihrer Wortmeldung deutlich, dass 1365 Unterzeichner der Online-Petition im Vergleich zu anderen Unterschriftensammlungen im Internet gar nicht mal so viel seien.

Moderator Willi Stöhr, Leiter der gastgebenden Evangelischen Stadtakademie, fällt am Ende die komplexe Aufgabe zu, die Fäden zusammenzuziehen. Doch ein in Nürnberg heimisch gewordener Schwabe gibt ihm die Vorlage: "Bleiben Sie einfach locker und freuen sich an der Vielfalt", wirft der Diskussionsbesucher in die Runde. Stöhr greift den Appell zur Gelassenheit auf und gibt ihn den Besuchern mit auf den Heimweg.

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