Dem Phänonem "Geisterjäger" auf der Spur

30.6.2014, 12:09 Uhr
Dem Phänonem

© Angela Assmuth

Herr Bartoschek, beim Thema Geisterjäger denkt man natürlich spontan an die Kult-Komödie „Ghostbusters“. Rennen moderne Geisterjäger auch mit staubsaugerartigen Gerätschaften durch die Gegend oder ist das jetzt ein bisschen viel Klischee?

Sebastian Bartoschek: Früher hätte ich gesagt, nein, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Allerdings: Was den Ghostbuster und den Ghosthunter verbindet ist eine gewisse Technikgläubigkeit. Moderne Geisterjäger haben eine Menge an Equipment dabei, mit dem sie zwar nicht glauben, Geister fangen, aber deren Existenz nachweisen zu können.

Vielleicht sollten wir erst einmal klären, was denn überhaupt ein Geist ist. Sind sich die Ghosthunter-Teams darüber einig?

Bartoschek: Es gibt eine Mehrheitsmeinung. Nämlich, dass es ich um die die Seele eines Verstorbenen handelt. Manche glauben, wie der Physiker und Psychologe Walter von Lucadou, dass es sich um die Externalisierung psychischer Spannungszustände handelt. Andere halten sich überlappende Paralleldimensionen für möglich. Einige sagen auch, Geister seien Zeitreisende.

Und was glauben Sie? Sie sind ja Psychologe und Skeptiker.

Bartoschek: Ich würde unglaublich gerne mal einen Fall erleben, bei dem ich sage: Hier ist wirklich etwas, das ich nicht naturwissenschaftlich erklären kann. Was mir auch bei meinem Vortrag wichtig ist: Auch wenn wir nicht psychisch irgendwie durch sind, erleben wir manchmal Dinge, die aber nur scheinbar übernatürlich sind. In Wirklichkeit spielt uns das Gehirn ab und zu Streiche, oder sagen wir lieber so: Es gibt uns etwas anderes wieder, als real passiert. Übrigens habe ich den Fällen, die ich kenne, niemals an der Ehrlichkeit der Beteiligten Zweifel gehabt. Solche Fälle mag es geben, aber sie sind in der krassen Minderheit. Tatsache ist, dass Menschen unter Spukphänomenen leiden, irgendwann nicht mehr weiter wissen und sich dann direkt an mich oder auch an Ghosthunter-Teams wenden. Nur sehr selten liegt übrigens eine psychische Störung zugrunde.

Wobei, wenn man in Deutschland sagt, ich glaube an Geister, dann steht man ja quasi mit einem Bein in der Psychiatrie . . . Sie plädieren aber dafür, Menschen, die Spukphänomene erleben, ernst zu nehmen, oder?

Bartoschek: Interessant ist aber: Wenn der Abend spät genug und die Gläser hinreichend geleert sind, dann erzählt jeder Zweite irgendetwas, das er erlebt hat, sich aber nicht erklären kann. Und als Wissenschaftlicher finde ich einfach, dass wir verpflichtet sind, auf diese Menschen zuzugehen. Oft trauen sich solche Leute leider nicht, sich an jemanden zu wenden und landen dann eher in zweifelhaften Händen, zum Beispiel in kirchlichen oder vor allem freikirchlichen Organisationen, die dann für bis zu fünfstellige Beträge Austreibungen oder Exorzismen anbieten.

Welche Motive haben die Ghosthunter-Teams denn für ihre Geisterjagd?

Bartoschek: Sie selbst sagen, die machen es aus Forscherdrang. Ich denke aber, das ist nur die halbe Wahrheit. Eine große Rolle spielt nämlich der Wunsch nach dem Thrill, nach dem Erleben von etwas nicht Alltäglichem. Spannend ist, dass zwei Dinge zusammen kommen: Einerseits das sehr deutsche Spiritistische, das allerdings bei uns sehr wenig religiös motiviert ist, andererseits die amerikanische Technikgläubigkeit. Nach dem Motto: Wir haben hier doch Messgeräte, also muss das Phänomen ja eingrenzbar sein.

Sind die Teams eigentlich gleichmäßig in Deutschland verteilt?

Bartoschek: Nein. Stellen Sie sich mal die Deutschlandkarte vor und ziehen eine Linie den ganzen Westrand entlang bis unten ins tiefste Bayern, dann sehen sie, wo alle Ghosthunter-Teams sitzen – plus Berlin. Es gibt kaum bis keine in Mitteldeutschland und in den neuen Bundesländern. Vielleicht ist das ein Späterbe der DDR und der atheistischen Erziehung. Wo kein Gott, da keine Seele und keine Verstorbenen, die wieder anklopfen.

Ihre Dissertation dreht sich allerdings nicht um Geisterjäger, sondern um Verschwörungstheorien. Warum stellen wir Menschen die so gerne auf?

Bartoschek: Erstens, um uns komplexe Zusammenhänge einfach zu erklären. Zweitens, weil es natürlich tatsächlich echte Verschwörungen gibt. Und drittens, weil der Mensch ein hervorragender Musterdetektor ist. Das ist übrigens auch die Schnittmenge mit dem Ghosthunting: Wir sind total klasse darin, Strukturen und Kausalitäten zu erkennen. Das hat allerdings den Nachteil, dass wir sie manchmal auch dort sehen, wo keine sind.

Ein Paradebeispiel ist ja alles, was mit den Anschlägen vom 11. September zusammenhängt.

Bartoschek: Ich habe in meiner Dotorarbeit 95 verschiedene Verschwörungtheorien betrachtet, vier drehten sich um 9/11. Untersucht habe ich die Theorien hinsichtlich Bekanntheit und Zustimmung. Mehr als die Hälfte der Befragten stimmt zum Beispiel der Aussage zu, dass die Bush-Regierung gelogen hat. Während die Sache mit den 4000 Juden, die angeblich das World Trade Center noch vor dem Einsturz verlassen haben, weil sie gewarnt wurden, weit weniger bekannt ist und auch viel weniger Zustimmung findet. Die große Weltverschwörung der Juden ist ja ein ganz altes Motiv. Nehmen Sie diese sogenannten „Montagsdemos“ in Berlin momentan. Da haben Sie eine bunte Mischung genau dieser Motive: Kapitalimuskritik, die hier fast immer Antisemitismus bedeutet.

Dienstag, 1. Juli, 19.30 Uhr, Planetarium am Plärrer, Karten vor Ort oder unter hier (Kursnummer 00933)

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