"Der Begriff Zeitung wird häufig falsch verstanden"

30.1.2018, 05:27 Uhr

© Franziska Baur

Diese Nachricht ist im Jahr 2012 relativ stark untergegangen, weil sie nicht in den Mainstream der Unkenrufe über den vermeintlichen Untergang der Tageszeitungen gepasst hatte: Der damalige Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, Helmut Heinen, hatte in seiner Eröffnungsrede des Zeitungskongresses in Berlin damit verblüfft, dass Zeitungen "ein Publikum so groß wie nie zuvor" erreichten.

Diese Aussage steht nur scheinbar im Widerspruch zu Prophezeiungen, die Facebook, Google und Amazon als die wahren Sieger der Digitalisierung und die traditionellen Medien wie Radio, Fernsehen und Zeitung als die Verlierer sehen. Es ist auch kein Widerspruch zu der nicht ganz ernst gemeinten Berechnung des Eichstätter Journalistik-Professors Klaus Meier (siehe Interview auf der nächsten Seite dieser Beilage), dass die letzte gedruckte Tageszeitung in Deutschland im Jahr 2034 erscheinen werde, wenn die Druckauflagen weiterhin so sänken wie seit den 1990er Jahren.

Denn der Begriff Zeitung wird heute häufig falsch verstanden. Zeitung stand ursprünglich nicht für bedrucktes Papier, sondern für Nachrichten im Allgemeinen. Und diese werden heute über verschiedene Medien verbreitet: Online spielt eine zunehmend bedeutende Rolle. Der frühere Zeitungspräsident Heinen hatte in seiner Rede deshalb auch ausdrücklich die Summe aus Print, klassischer Website, mobilen Endgeräten mit ihren Apps sowie Push-Benachrichtigungen und den Social-Media-Auftritten der Zeitungen wie Facebook und Twitter gemeint. Die Möglichkeiten, Zeitungsinhalte zu konsumieren, sind dank der Digitalisierung so groß wie nie.

Lesern bietet dies die Möglichkeit, sich von Journalisten seriös recherchierte Nachrichten über die Wege zu holen, die individuell auf das eigene Informationsbedürfnis und den Tagesablauf abgestimmt sind. Unter neugierigen Journalisten herrscht Goldgräberstimmung, schließlich können sie ihre Reportagen, Porträts und Fakten im jeweils passenden Format ihren Nutzern präsentieren, viel ausprobieren, und sie erhalten häufiger und schneller Rückmeldungen vom Leser. Das Wichtigste aber: Journalisten, nicht selten eitle Menschen, haben eine höhere Reichweite ihrer Beiträge.

Verlage stehen durch die neue Vielzahl an Ausspielkanälen und Formaten aber genauso wie Rundfunksender immer noch vor großen Herausforderungen: Zum einen sind sie noch auf der Suche nach einem digitalen Geschäftsmodell. Zum anderen müssen sie ihre Strukturen an die neue, komplexere Arbeitsweise anpassen. Zusätzliche Medienprodukte einer Marke erfordern eine bessere Abstimmung. Aus diesem Grund haben auch die meisten deutschen Zeitungen das Modell eines Newsrooms aus den USA übernommen, den die Tageszeitung "The Philadelphia Inquirer" im Jahr 1994 als Erste eingeführt haben soll.

Den Newsroom, manchmal auch Desk, Pool, Balken oder Aktualitätenzentrum genannt, kann man sich deshalb als eine Art ständige Redaktionskonferenz vorstellen, bei dem die einzelnen Seiten geplant werden, das Layout erstellt und vor allem besprochen wird, welche Themen in Print und welche online behandelt werden. Die neue Medienwelt erfordert deutlich mehr Spezialisten, die ihre Kompetenzen am Desk für möglichst gute Produkte einbringen.

Die Nürnberger Nachrichten, die Nürnberger Zeitung und der gemeinsame Internet-Dienst nordbayern.de haben bereits gute Erfahrungen mit eigenen Newsrooms gesammelt. Die Produktion der verschiedenen Produkte in einen gemeinsamen integrierten Desk zu bündeln, ist deshalb ein zeitgemäßer, logischer Schritt.

Ein weiterer und sehr bedeutender Effekt ist, dass die Reporter abseits des Großraumbüros sich wieder mehr auf das konzentrieren können, was guten Journalismus ausmacht, vom Internet-Geschrei auf nicht-journalistischen Seiten unterscheidet und in einer Zeit von bewusst gestreuten Falschmeldungen über soziale Netzwerke wichtiger ist denn je: aufwendige Recherche und prägnantes Texten für Berichte, Kommentare und Reportagen.

Denn die Grundtugenden, die einen exzellenten Journalisten ausmachen, haben sich auch durch die Digitalisierung nicht geändert.

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