Der Fall Asef N.: Schüler fürchten sich vor Ermittlungen

25.5.2018, 20:05 Uhr
Ausbildung statt Abschiebung, lautet die Devise eines Bündnisses junger Nürnberger nach den Tumulten an der B 11. "Wir wünschen uns einen coolen Umgang mit Menschen, die hierherkommen."

Ausbildung statt Abschiebung, lautet die Devise eines Bündnisses junger Nürnberger nach den Tumulten an der B 11. "Wir wünschen uns einen coolen Umgang mit Menschen, die hierherkommen."

"Ich bin eine von den bösen Autonomen", sagt Cornelia Mayer lachend, als sie sich an den Tisch setzt. Eine Krawall-Macherin, eine linke Chaotin, die bei der versuchten Abschiebung Asef N.s dabei war und Unruhe stiftete? Die junge Frau bleibt bei all den Begriffen extrem gelassen. Für Klischees hat sie nicht viel übrig. "Ja, ich bin politisch aktiv", sagt sie. Eine Frau um die 30, intelligent, im sozialen Beruf tätig, aber ihren echten Namen verrät sie nicht. Dafür hat
sie zu wenig Vertrauen - ins politische System, in die Polizei, in die Medien.

Denn seit der versuchten Abschiebung des jungen Afghanen an der Berufsschule in Nürnberg geht die Furcht unter den Demonstranten vor Ermittlungen um. Dabei war Cornelia Mayer selbst an dem Tag gar nicht vor Ort, als Schüler die Abschiebung Asef N.s verhindern wollten. "Verschlafen", sagt Mayer fast reumütig. "Ich hab erst abends von dem Polizeieinsatz erfahren." Dafür kämpft sie jetzt umso mehr als Sprecherin einer Gruppe von Schülern, Studenten und Angeklagten für eine Aufarbeitung der umstrittenen Vorfälle.

Unter dem Motto "Widerstand Mai 31 - Solidarität ist kein Verbrechen" veranstaltet sie Podiumsdiskussionen, sitzt in Prozessen, verteilt Flyer. "Wir werden dem Innenministerium nicht die Geschichtsschreibung überlassen", sagt sie entschlossen. "Denn es gibt mindestens zwei Geschichten dieses Tages." Die eine von Polizei und Innenministerium, die auch den Rechtsausschuss im Landtag passierte. Die andere Version, die Augenzeugen und Betroffene berichten.

Sarah N., eine Schülerin aus der Parallelklasse von Asef, wirkt angespannt. Ein Jahr nach dem Vorfall erzählt sie vor Pressevertretern ihre Eindrücke vom 31. Mai. "Es war zunächst ein schönes Gefühl, dass so viele bei der Abschiebung nicht einfach zugeschaut, sondern sich eingesetzt haben." Doch ihre Euphorie währte nicht lang. Als sie sich auf die Straße vor das Polizeiauto setzte, habe sie bereits geahnt, dass ihr Handeln nicht Recht und Ordnung entspreche. "Die Polizisten haben uns ja oft genug mit Strafverfolgung gedroht." Dennoch wollte Sarah, die ebenfalls aus Angst ihren echten Namen für sich behält, nicht vom Fleck weichen.

"Erschreckend war dann, wie die Beamten auf uns, die wir friedlich dasaßen, draufgegangen sind und eingeschlagen haben", erzählt sie. Auf ihre Beine habe sich ein Polizist gesetzt. Einem Teilnehmer neben ihr habe man die Finger ins Gesicht gebohrt. "Zwei Schüler neben mir haben sie an den Haaren aus der Menschenkette herausgezogen". Warum sie gegen die Beamten nie Anzeige erstattet hat? "Aus Angst", sagt die junge Frau. "Es macht doch keinen Sinn, gegen Polizisten Anzeige zu erstatten, die am Ende dann gegen dich ermitteln."

"Jeder ist jetzt ein Chaot"

Yunus Ziyal, Nürnberger Rechtsanwalt, kann das bestätigen. Aus Erfahrung wisse er, dass solche Anzeigen gegen unbekannt meist ins Leere liefen, sagt der Jurist. "Zumal man immer ein Beweisproblem hat, aufgrund der mangelnden Erkennungspflicht von Polizisten." Man mache sich dadurch nur zur Zielscheibe von Gegenanzeigen, betont der Verteidiger eines Angeklagten, dessen Fall gerade vor Gericht verhandelt wird. "Jeder, der an dem Tag da war, ist jetzt ein Chaot", betont Ziyal. Das Bild stört ihn. Mit Zuordnungen wie "autonom" oder "linksextrem" kann er ohnehin nichts anfangen.

Schon allein die Teilnahme an einer Demonstration tauche bei vielen inzwischen in der Kriminalakte auf. Aber was sage eine Teilnahme schon über einen Verdächtigen aus? Die Version der Polizei, dass Menschen aus dem linksextremen Spektrum die Eskalation herbeigeführt hätten, kontert Claudia Mayer hingegen etwas anders. "Und wenn ich fünf Flaschen werfe, kann ich trotzdem die Wahrheit sagen."

Schülerin Sarah N. hat aus dem ganzen Aufruhr zum Glück ihre eigenen Lehren gezogen. Sie engagiert sich seither für die Jugendaktion "Bildung statt Abschiebung". Ein bunter Haufen Nürnberger Studenten, Schüler und Auszubildender, der sich für gleichwertige Bildungschancen einsetzt. "Wir sehen den Rechtsruck in Bayern mit Angst", sagt eine Sprecherin des Bündnisses. "Wir wollen keine Lager, wir wünschen uns einen coolen Umgang mit Menschen, die hierherkommen. Denn keiner flieht ohne Grund und um hier Party zu machen."

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