Der Islamunterricht in Bayern steht auf der Kippe

7.7.2018, 05:48 Uhr
Trotz positiver Bewertung durch Schüler und Experten steht die Zukunft des Islamunterrichts in den Sternen.

© Frank Rumpenhorst/dpa Trotz positiver Bewertung durch Schüler und Experten steht die Zukunft des Islamunterrichts in den Sternen.

Seit fast zehn Jahren gibt es an Bayerns Schulen Islamischen Unterricht. Keimzelle war das sogenannte Erlanger Modell. Das Projekt ist immer noch ein Modellversuch. Der steht jetzt trotz unbestrittener Erfolge auf ziemlich wackeligen Beinen. Im kommenden Jahr läuft er aus. Die Staatsregierung in München lässt offen, wie es danach weitergeht. Experten sind beunruhigt.

Die Äußerungen verheißen nichts Gutes. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bringt eigene Sprachklassen mit Werteunterricht für Migrantenkinder ins Gespräch. Dem flächendeckenden Ausbau des Langzeit- Modellversuchs Islamunterricht hat er eine Absage erteilt. Der wird mittlerweile schon an rund 350 Schulen im Freistaat angeboten.

Verstärkter Ethikunterricht als Ersatz

Kultusminister Minister Bernd Sibler (CSU) assistiert seinem Herren und Meister. Er spricht von einem "verstärkten Ethikunterricht" als möglichem Ersatz für das bewährte Angebot. Was das sein soll, ist unklar. Sibler will nun erst einmal evaluieren, und zwar in einem Jahr, also dann, wenn Schüler und Lehrer eigentlich schon wissen sollten, wie es weitergeht. Das ist ein beherzter Tritt auf die Bremse.

Bekannt ist bisher nur, dass die nun angestrebte fachliche Bewertung des Modellversuchs das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) durchführen soll. Eine gute Wahl, denn sie erspart unter Umständen Arbeit. Das ISB hat eine solche Evaluation nämlich zur Halbzeit des Modellversuchs 2014 schon einmal durchgeführt und dabei Ergebnisse zutage gefördert, die stichhaltige Argumente für den Islamischen Unterricht liefern.

Islamunterricht wird gut angenommen

Bei Schülern, Eltern wie Lehrern ist dessen Akzeptanz "sehr hoch", so die damalige Studie, die Qualität des Unterrichts "gut bis sehr gut". Schüler, die diesen Unterricht besuchen, fühlen sich demnach wertgeschätzt, er leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration, verbessert den Zusammenhalt der Kinder wie die Fähigkeit, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen. Alles unbestritten erstrebenswerte Ziele, und es gibt keine Anzeichen, das eine neue Studie zu entgegengesetzten Erkenntnisse gelangt.

Eine neue Studie, die Sinnhaftigkeit und Wert dieses Unterrichts noch einmal untermauert, vermisst Professor Tarek Badawia vom Lehrstuhl für Islamisch-Religiöse Studien mit Schwerpunkt Religionspädagogik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) deshalb nicht unbedingt. Es fehle an ganz anderer Stelle, nämlich an einem "eindeutigen Ja" zu dem Modell "ohne hätte, könnte oder sollte". "Die Gefahr des Zerredens einer beispielhaften Erfolgsstory des Erlanger Modells ist naheliegend", meint Badawia. Er spricht nach Lage der aktuellen Dinge von einem "Scheideweg".

"Hervorragendes Mittel" für bessere Integration

Sein protestantischer Kollege, Professor Manfred Pirner vom FAU-Lehrstuhl für evangelische Religionspädagogik — er ist zudem Direktor der Forschungsstelle für öffentliche Religionspädagogik — sieht das nicht anders. Er kennt die Praxis des Islamischen Unterrichts im Detail. Pirner spricht von einem Mehrwert gegenüber einem allgemeinen Werteunterricht. Religiöse Vorstellungen der Schüler würden ernst genommen, vertieft und kritisch reflektiert sowie mit Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Beziehung gesetzt.

"Unsere gegenwärtige gesellschaftliche Situation lässt überdeutlich erkennen, dass eine solche religiöse Bildung nötiger denn je ist", betont der Wissenschaftler. Es gebe einen breiten Konsens in Forschung und Politik, dass der Islamische Unterricht "ein hervorragendes Mittel" zur Förderung von Integration und Vorbeugung gegen Radikalisierung darstelle. Das Angebot sei deshalb in Bayern "auf jeden Fall" auszubauen, "alles andere wäre unvernünftig". Für Rainer Oechslen, Islambeauftragter der evangelischen Landeskirche, stellt die jüngste Haltung der Staatsregierung die erreichten Erfolge in Frage.

Bisher habe der Islamunterricht in Bayern, so der Theologe, "trotz aller Schwierigkeiten" Erhebliches geleistet. Knapp 15 Prozent der etwa 100.000 muslimischen Schülerinnen und Schüler im Freistaat nehmen an ihm teil. "Das scheint wenig, ist aber im Vergleich zu anderen Bundesländern eine hohe Zahl", sagt Oechslen.

Und Detlef Bierbaum, Leiter der Abteilung Gesellschaftsbezogene Dienst in der Münchner Zentrale der evangelischen Landeskirche befürwortet zwar die angekündigte Evaluation des Islamunterrichts in Bayern, er tut dies aber vor allem deshalb, "damit dieser zukünftig auf einem soliden Fundament steht". Dessen Integration in einen allgemein erweiterten Ethikunterricht ist für Bierbaum kein geeigneter Weg.

Die aktuelle Diskussion hat in den Schulen bereits Spuren hinterlassen. Zwei Lehrer, die in der Region das Fach unterrichten, spüren wachsende Verunsicherung, bei sich selbst, aber auch bei Schülern und Eltern. "Viele haben das Gefühl, immer noch kein anerkannter Teil der deutschen Gesellschaft zu sein", sagen die Pädagogen, "das Positive dieses Modellversuchs wird scheinbar ignoriert."

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