"Der Wiedereinstieg in den Beruf ist wie ein Marathon"

23.2.2017, 17:23 Uhr
Viele Mütter tun sich schwer, nach Jahren wieder in den Beruf einzusteigen.

© dpa Viele Mütter tun sich schwer, nach Jahren wieder in den Beruf einzusteigen.

Arbeiten bedeutet Selbstwertgefühl, finanzielle Unabhängigkeit, eine Aufgabe haben, weiß Ingrid Kugler, die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Aber wie umsetzen? Denn für Mütter ist die Wiederkehr in die Arbeitswelt mit vielen Hürden verbunden. Oft landen sie bei Minijobs: entweder weil der Markt für sie nicht mehr hergibt oder weil sie nicht mehr Zeit neben der Familie dafür aufbringen können beziehungsweise wollen. Die geringfügige Beschäftigung bringt meist nicht mehr als 450 Euro im Monat ein – deshalb auch 450-Euro-Job genannt. Doch dieses Arbeitsverhältnis birgt einige Gefahren. Auf die möchte die Agentur für Arbeit nun mit einer Ausstellung aufmerksam machen. „Minijob? Da geht noch mehr!“ informiert im BiZ am Richard-Wagner-Platz auf mehreren Stellwänden über das Thema.
Da ist zum Beispiel zu lesen, dass Minijobber nicht eigenständig krankenversichert sind. Sie haben außerdem weder Anspruch auf Arbeitslosengeld noch auf Rente. Nicht zu vergessen die fehlende Anerkennung: Geringfügig Beschäftigte haben in den meisten Fällen weniger Rechte als ihre Kollegen, die in Vollzeit angestellt sind. Dabei haben sie genauso Anspruch auf: einen Mindestlohn, bezahlten Urlaub, Kündigungsschutz und geregelte Arbeitszeiten. Darauf weist eines der Plakate hin. 7,4 Millionen Menschen haben in Deutschland einen Minijob. Zwei Drittel davon sind Frauen.

Aller Anfang ist schwer

Es sind auch ausschließlich Frauen, die zur Infoveranstaltung im BiZ zum Thema Wiedereinstieg in das Berufsleben gekommen sind. Ihnen wird das Projekt „Flow!“ vorgestellt, das es mittlerweile auch in Mittelfranken gibt. Das Programm, das unter anderem vom Familienministerium unterstützt wird, will denjenigen, die langfristig Kinder oder Pflegebedürftige betreut haben und deshalb nicht arbeiten konnten, beim Wiedereinstieg in das Berufsleben helfen – ob das nun ein Minijob, Teilzeit oder Vollzeit ist.
Und das ist nicht einfach: Viele Frauen – die sind in den allermeisten Fällen betroffen – haben hohe Ansprüche an sich und ihr Familienbild. Da muss das Essen täglich frisch auf den Tisch, der Haushalt blitzeblank und die Kinder immer bestens versorgt sein – und dabei bitte top gestylt mit einem Lächeln auf den Lippen.
Wie passt in diesen straffen Zeitplan noch ein Job? Das fragt Ingrid Kugler stellvertretend für die Betroffenen. „Wir müssen uns zerteilen“, antwortet eine Teilnehmerin. Deshalb sei Vorbereitung wichtig, so Kugler: Als erstes sollte man sich überlegen, wie viele Stunden es in der Woche sein sollen. Außerdem sind Weiterqualifizierungen nötig, denn oft reichen die Kenntnisse, die man vor Jahren erworben hat, nicht mehr aus. Oder die Ansprüche im Beruf haben sich mittlerweile grundlegend geändert. Stichwort Digitalisierung. „Weiterbildung ist ein Luxus, den ich mir gönnen sollte. Sie ist das beste Mittel gegen Armut“, sagt Petra Semmert von „Education Management Consortium“, die für das Projekt zuständig ist.
„Doch ich habe panische Angst davor, eine Bewerbung zu schreiben“, meldet sich eine Teilnehmerin zu Wort – und spricht damit vielen aus der Seele. Für Probleme dieser Art bietet „Flow!“ persönliche und finanzielle Hilfestellung. Etwa 900 Mittelfranken nutzen laut Semmert das Angebot bisher. „Der Wiedereinstieg ist wie ein Marathon, auf den ich mich professionell vorbereiten muss“, erläutert die Expertin dem Publikum weiter. „Aber die Chancen für einen Wiedereinstieg waren noch nie so gut wie jetzt!“ Und wenn man erst einmal das Ziel vor Augen habe, läuft es meistens von alleine.

Weitere Infos über das Projekt „Flow!“ und dessen Zugangsvoraussetzungen unter www.perspektive-wiedereinstieg.de oder telefonisch unter 0911/507210

Keine Kommentare