Die traurige Geschichte der jungen Nürnberger Flakhelfer

17.2.2018, 05:52 Uhr
Die traurige Geschichte der jungen Nürnberger Flakhelfer

© privat

"Man hat uns damals einen Teil unserer Jugend gestohlen“, sagt der 90-jährige Knoblach, "es wird insgesamt viel über die NS-Verbrechen gesprochen. Das war ein Verbrechen an unserem eigenen Volk." Seine Klasse im Neuen Gymnasium Nürnberg wurde Februar 1943 als Luftwaffenhelfer zum Kriegsdienst beordert.

 Nach verheerenden Verlusten der deutschen Wehrmacht in Osteuropa wollte Adolf Hitler die Lücken stopfen. Mit einem "Führerbefehl" hatte er bereits 1942 die Abstellung von 120.000 Soldaten "für den Endkampf" verlangt.

Dies sollte dadurch erreicht werden, dass reguläre Mannschaften von der Flak abgezogen und durch Jugendliche der Geburtsjahrgänge 1926/7 ersetzt wurden. Insgesamt 200.000 Heranwachsende mussten damals an die Geschütze, die feindliche Bomber vom Himmel holten sollten.

"Opferte Leben zum Schutz unserer Stadt"

 Wie viele der jungen, unerfahrenen Flakhelfer oder auch Luftwaffenhelfer mit dem Leben bezahlten, ist unbekannt. Allerdings gibt es zahlreiche Berichte über Volltreffer in Flakstellungen.

Zum Beispiel aus dem Süden Nürnbergs:  Das Schicksal des Nürnberger Hitlerjungen Paul Bayer und drei seiner Mitschüler ist aber nur eines von vielen Beispielen. Im April 1943 kamen die 17-Jährigen bei der Bombardierung ihrer Flakstellung an der Saarbrückener Straße ums Leben. Paul „opferte nach Gottes Willen sein Leben zum Schutz unserer altehrwürdigen Stadt“, stand in der Todesanzeige. 

Die traurige Geschichte der jungen Nürnberger Flakhelfer

© Stefan Hippel

Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände stellte das kurze Leben des Flakhelfers Paul Bayer 2004 mit der Sonderschau "Verführt, verleitet, verheizt" exemplarisch dar. Seine Schwester Lydia Bayer, Gründungsdirektorin des Nürnberger Spielzeugmuseums, hatte ein paar Habseligkeiten Pauls in einer Kiste über 60 Jahre lang aufbewahrt: die HJ-Uniform des Bruders, Fotos aus seiner Kindheit, maschinengeschriebene Durchschläge von Befehlen, Briefe, in denen seine Technikbegeisterung für Waffen deutlich wird, sein HJ-Ausweis und schließlich die Todesanzeige — Dokumente eines sinnlosen Sterbens. Am vorletzten Tag seines Lebens hatte er in einem Brief an die Mutter über einen Angriff geschrieben: "Die Feuertaufe haben wir schon überstanden."

"Wir haben nicht 'Hurra' geschrien" 

Zeitzeuge Richard Knoblach hat die Erinnerungen an seine Flakhelferzeit vom Februar 1943 bis September 1944 in seinem Gedächtnis abgespeichert: "Wir haben bei unserer Einberufung nicht 'Hurra‘ geschrien, aber es war für uns zunächst ein Abenteuer." Damals hätten sie gelernt, wie man Höhen- und Seitenwinkel sowie Entfernung am Radar berechnet. Technisch wurden sie gut ausgebildet, meint der 90-Jährige.

 Er war zunächst an einem Flakgeschütz in Nürnberg-Sündersbühl, danach im Stadtteil Maiach eingesetzt. Dass aus dem "Abenteuer" blutiger Ernst wurde, mussten die Gymnasiasten schon bald erleben. "Wir schossen nach oben. Doch dass auch was von oben runterkommt, daran hatten wir nicht gedacht", meint der Senior. 

Bei Luftangriffen im März 1943 schlugen Bomben direkt neben dem Geschütz ein: "Die beiden Kanoniere sowie 20 russische Kriegsgefangene, die dort in einer Baracke waren, kamen ums Leben. Von ihnen blieb nichts mehr übrig. Die Leichenteile waren in kleinsten Fetzen über den Platz verstreut", berichtet der Senior.
 
Ein Offizier befahl den Nürnberger Gymnasiasten, in ihrer Holzhütte zu bleiben: Ihnen sollte der brutale Schock erspart bleiben. Soldaten mussten das gesamte Gelände reinigen. Die Jugendlichen, die sich während des Angriffs in Splitterschutzgräben zusammengekauert hatten, ergriff "ein äußerst mulmiges Gefühl". Mit einem Schlag war jedem 17-Jährigen klar, dass eine Bombe auch sie selbst jederzeit auslöschen konnte.  

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