Drei Jahre Haft für Sekten-Guru und seine Lebensgefährtin

4.8.2014, 16:07 Uhr
Am Montag fiel das Urteil: drei Jahre Haft für den sogenannten Sekten-Guru aus Lonnerstadt.

© dpa Am Montag fiel das Urteil: drei Jahre Haft für den sogenannten Sekten-Guru aus Lonnerstadt.

Weil sie mit einem schwer kranken Kind drei Jahre lang nicht zum Arzt gingen und ihm keine Medikamente gaben, müssen eine Mutter und ihr Lebensgefährte für jeweils drei Jahre ins Gefängnis. Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach den 55-Jährigen und die 49 Jahre alte Frau aus Lonnerstadt bei Erlangen am Montag wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert.

Der damals zwölfjährige Sohn der Frau leidet an der schweren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Die Atemwege in der Lunge, die Ausführungsgänge an der Bauchspeicheldrüse und die Gallenwege verstopfen dabei mit zähem Schleim. Die Angeklagten hätten es dem Kind überlassen, ob es Medikamente nimmt oder zum Arzt geht, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Flechtner. Dabei hätten sie selbst dafür sorgen und den Gesundheitszustand permanent kontrollieren müssen. „Das ist ein Komplettversagen bei der Erziehung.“

Die Angeklagten seien für das Wohl und Wehe des Jungen verantwortlich gewesen, betonte der Richter. „Und sie wussten genau, wie wichtig eine permanente Behandlung ist.“ Und dennoch „haben sie Schmerzen und Leiden zumindest billigend in Kauf genommen“ – ja, man könne sagen, sie hätten den Jungen gequält. Durch die Nicht-Behandlung sei das Lungengewebe des Sohnes irreparabel geschädigt worden. Zudem war er am Schluss massiv unterernährt.

Doch kein "Sekten-Guru"?

Der Angeklagte war als „Sektenguru von Lonnerstadt“ bekanntgeworden. Seine Zugehörigkeit zu der „Neuen Gruppe der Weltdiener“ stellte sich in der Verhandlung jedoch als falsch heraus. Die Kammer sah die Vorverurteilung und Ächtung durch die Medien als strafmildernd an. Ob Sekte oder nicht spiele aber gar keine Rolle, betonte Staatsanwalt Torsten Haase. Er hatte sogar vier Jahre Haft beantragt.

Der Sohn soll von November 1999 bis Dezember 2002 keine Medikamente bekommen haben. Stattdessen sollen die Angeklagten das Kind zum Meditieren angehalten haben. Der heute 27-Jährige sagte zum Beginn des Prozesses: „Uns wurde gesagt, dass wir die Medikamente nicht mehr brauchen.“ Der Freund seiner Mutter habe ihm gesagt, „wenn ich alles mitmache, meditiere, bin ich mit 17, 18 geheilt“.

Der Bub musste auch immer wieder fasten, obwohl bei Mukoviszidose kalorienreiche Ernährung nötig ist. Schließlich wog er nur noch knapp 30 Kilogramm – 20 Kilo weniger als für seine Größe normal. Als er 15 Jahre alt war, floh er mit Hilfe seiner Schwester zu seinem leiblichen Vater. Dort ging es ihm schnell besser.

Er nahm zu und die Medikamente halfen ihm. Für seinen Mandanten sei das Urteil eine Erleichterung, sagte der Anwalt des Sohnes, Mathias Klose. Die Verteidigung prüft Rechtsmittel gegen die Entscheidung.

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