Einst Eislaufen - heute Einkaufen

22.1.2013, 08:00 Uhr
Einst Eislaufen - heute Einkaufen

© aus dem Buch

Im Jahr 1896 errichtete dann die Gesellschaft für Lindes Eismaschinen ihre erste öffentliche Kunsteisbahn im süddeutschen Raum – und zwar in Nürnberg, zwischen Bayreuther Straße und Virchowstraße.

Die Bahn war wenig ertragreich und wurde 1905 wieder geschlossen. 1936 entstand dann das Lindestadion an der Äußeren Bayreuther Straße, in dem die Eishockeycracks der Nürnberg Ice Tigers noch bis Februar 2001 um Punkte spielten; dann wurde der Bau abgerissen. Heute steht dort das im Jahr 2003 eröffnete „Mercado“. Wie Bernd Windsheimer, Marion Mittenhuber und Alexander Schmidt in ihrem Buch „Arbeiterwohnungen, Villen und Herrensitze“ schreiben, ist dieses Einkaufszentrum inzwischen selbstverständlicher Bestandteil des Nürnberger Nordostens – und die Vorgeschichte des Areals „bei den Jüngeren weitgehend unbekannt“.

Es ist das Verdienst des Autorentrios, diese Vorgeschichte akribisch herausgearbeitet zu haben. Doch dies ist freilich nur ein Aspekt, den Windsheimer und Co. in ihrer Publikation über den Nordosten beleuchten. So geht es in dem Werk, das die Autoren 1998 erstmals vorlegten und das Windsheimer nun für die Wiederauflage aktualisierte, zum Beispiel auch um die Geschichte des Rechenbergs oder um das Naturgartenbad. Der Weg der evangelischen St.-Lukas-Kirche zur Jugendkirche wird ebenso thematisiert wie die Gründung des St.-Theresien-Krankenhauses 1928 oder das Villenviertel Erlenstegen.

Der umfangreichste Teil des Buches, das der Verein „Geschichte für Alle“ in seiner Reihe „Nürnberger Stadtteilbücher“ herausgegeben hat, schildert die Entwicklung der Nordostbahnhof-Siedlung. Sie entstand ab 1929, um der damaligen Wohnungsnot zu begegnen. Bis 1932 entstanden 1500 Wohnungen, die wegen ihrer Größen (meist 50 Quadratmeter) und der erträglichen Mieten von Anfang an vor allem Arbeiterfamilien anzogen. Das auf 2600 Wohnungen angelegte Siedlungsprojekt war eines der größten seiner Zeit – wohl wegen der eher pragmatischen Bauweise fand es überregional dennoch kaum Beachtung.

Außerdem stockte in der NS-Zeit der Bau – erst 1954 konnte die städtische Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (WBG) darangehen, die Siedlung zu vollenden. Ende der 1990er Jahre lebten in den 2500 Wohnungen am Nordostbahnhof knapp 4000 Menschen. Weil die kleinen Wohnungen nicht mehr zeitgemäßen Standards entsprachen, wurden sie vor allem von Geringverdienern oder Sozialhilfeempfängern belegt. Das Viertel drohte, zu einem sozialen Brennpunkt zu werden. Der Stadtrat beschloss, diese Entwicklung zu stoppen; über das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt konnten Fördersummen abgerufen werden, und im Jahr 1998 begann die WBG, das Gebiet zu modernisieren.

Das Buch beschreibt aber nicht nur die Geschichte des Viertels, sondern porträtiert auch eine Bewohnerin sowie den Städteplaner Hermann Jansen (1869–1945), der ein Grünflächenkonzept für die Stadt entwarf. Fazit: Ein lesenswertes Werk mit einer Fülle an Detailinformationen.

Bernd Windsheimer, Martina Mittenhuber, Alexander Schmidt: Arbeiterwohnungen, Villen und Herrensitze. Der Nürnberger Nordosten. Sandberg-Verlag, 178 Seiten, 19,80 Euro.
 

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