"Elchjagd"-Szenen aus dem engeren Familienkreis in Nürnberg

4.11.2014, 13:18 Uhr

© Foto: Jutta Missbach

Das erste Treffen mit den Eltern der zukünftigen Ehefrau: Wer würde da nicht nervös. Konrad ist ein sensibler Mann und betet seine Eliza an. Dass sie den Altvorderen aus taktischen Gründen erzählt hat, er sei Chirurg und nicht Tierarzt, erleichtert die Sache nicht. Eliza, ausgebildete Psychologin, diagnostiziert bei ihrem Zukünftigen denn auch schnell eine „Ritualphobie“. „Bei Stress versteckst du dich reflexartig im Schoß einer Frau!“ Es gibt schlechtere Lösungen.

Mit gewaltiger bis gewalttätiger Situationskomik hat der polnische Dramatiker Michal Walczak einen skurrilen Krimi aus der engen Welt der Familie geschrieben. Tristan Vogt (Spiel) und Joachim Torbahn (der gemeinsam mit Iwona Jera die Regie übernahm und die Puppen fertigte) haben daraus einen wunderbar tiefgründigen Thriller, eine Art Freudschen Alptraum gemacht. Denn jede Figur hat ihren inneren Schweinehund, ihre Liebeswünsche und Traumata im Gepäck.

Aus der sanften Eliza wird also eine mordende Furie, als ihr Ex-Lover und -Therapeut Jarek auftaucht und die Verlobung noch verhindern will. Eine Art Über-Ich, das es zu beseitigen gilt. Als nach Schlägen mit Omas Kandelaber das Hirn aus der Mayonnaise- Tube spritzt und später das Tomatenmark-Blut aus dem imaginären Schrank tropft, hat das junge Paar ein ernstes Problem. Schließlich stehen die Brauteltern gleich vor der Tür.

Was als schwarze Boulevardkomödie angelegt ist, entwickelt sich durch Tristan Vogts Spiel zum tief gründelnden Mords-Spaß: Er ist ganz offen auf der Bühne dabei, nicht nur zurückhaltender Puppen-Beweger im Hintergrund. Mit virtuos wechselnden Stimmlagen und energischer Gestik gibt er den Puppenköpfen Haltung.

Die schwankt bei manchen allerdings: Brautvater Romuald ist auf den ersten Blick der harte General mit Irak-Erfahrung und blitzenden Orden, leidet aber unter posttraumtischen Anfällen. Eliza zeigt als Mörderin ihr wahres Ich: „Wisch das Hirn weg, Rindvieh“, befiehlt sie eiskalt ihrem Verlobten, der sich vom schüchternen Liebhaber zum pragmatischen Retter entwickelt und das untote Opfer frankensteinmäßig zusammenflickt, während sie mit Mama ein Brautkleid aussuchen soll.

Der „romantische Albtraum“ ist wie gemacht fürs Figurentheater, Thalias Kompagnons haben auf dem Spieltisch die richtigen Mittel gefunden, um die Imagination der Zuschauer wohlig explodieren zu lassen. Das Spiel endet buchstäblich als Himmelfahrtskommando für den titelgebenden Elch. Für Menschen mit und ohne Ritual-Phobie ein feiner Abend!

Aufführungen 27., 28., 29. November, 18. und 19. Dezember, Karten-Telefon 09 11/ 2 16 22 98.

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