Ende der Bescheidenheit: Pelz ist wieder im Trend

15.12.2014, 06:02 Uhr
Ende der Bescheidenheit: Pelz ist wieder im Trend

© dpa

Auf den großen Fashion-Schauen hatte es sich schon gezeigt: Die Zeiten der Bescheidenheit sind vorbei. Reihenweise trugen magere Models flauschiges Fell um die Schultern. Der Trend ist längst im Handel angekommen. Der „Kuschellook“ sei allgegenwärtig, bekräftigt auch Tanja Croonen von German Fashion, dem deutschen Modeverband. Ob Westen oder Mützenbommel – Echtfell in allen Variationen ist heuer so viel vertreten, wie lange nicht mehr. Kaum eine Winterjacke komme ohne Fellverzierung aus.

Laut Stephanie Metz, der stellvertretenden Obermeisterin der Nürnberger Kürschnerinnung und Juniorchefin von Raab & Metz Pelze, gibt es zurzeit zwei Strömungen. In den Modemetropolen von Mailand bis Moskau seien auch opulente Mäntel und Jacken mit sehr auffallenden, dekorativen Kreationen zu sehen. „Bei uns werden Langhaarpelze dagegen fast ausschließlich schmückend, also zum Beispiel als Besatz von Kapuzen oder Kragen verwendet.“ Pelzbekleidung mit ausladender Silhouette wie sie von den 60er bis 80er Jahren „in“ waren, werden zumindest im Raum Nürnberg kaum noch nachgefragt.

Auffallen ist „out“

Die meisten Kundinnen wollten keine zu auffälligen Stücke tragen. Deshalb werden die Felle heute oft geschoren und/oder gefärbt, also so verarbeitet, dass sie leicht und modern wirken. Mit Stoff und Leder kombiniert würden sie eher zu sportlichen Stücken verarbeitet, wie sie schon in den 1940er und 1950er Jahren modern waren. „Solche Jacken und Mäntel eignen sich nicht nur für den großen Auftritt.

Man kann sie genauso gut zum Einkaufen anziehen“, meint Stephanie Metz. Auch geerbte Nerzmäntel von der Oma oder Tante könnten so umgearbeitet werden, dass sie nicht wieder zu erkennen seien. „In solchen Fällen ist ein Pelz wesentlich nachhaltiger, als die Parkas aus Polyester, die man eigentlich im Sondermüll entsorgen müsste“, findet die Kürschnerin. Ein Statussymbol, so glaubt sie, sei Echtpelz nur noch in bestimmten Kreisen. „Unsere Kunden wollen nicht ihren Besitz zur Schau stellen. Sie schätzen das Material als eine Art zweite Haut, die wärmt und Geborgenheit vermittelt.“

Image hat gelitten

Metz verhehlt nicht, dass die großangelegten Tierschutzkampagnen der zurückliegenden Jahrzehnte am Image der Branche gekratzt haben. „Die Bilder von gequälten Tieren bleiben in den Köpfen der Leute hängen.“ In Nürnberg gibt es heute noch rund zehn Firmen, die Pelze verkaufen. Im Gegensatz zum Unternehmen Raab & Metz, das einmal im Jahr eine selbst produzierte Kollektion herausbringt, haben die meisten anderen Firmen keine eigene Fertigung mehr. Sie führen allenfalls noch Änderungen durch. Viele Betriebe finden auch keinen Nachfolger mehr. Neben finanziellen Problemen ist dies auch ein Grund, warum sogar Rieger Pelze in München schließen musste.

In den Boomjahren der 60er bis 80er Jahre sei viel zu viel Material verarbeitet und zu billig verkauft worden, gibt Stephanie Metz zu. Sogar in Kaufhäusern seien massenweise dicke Pelze angeboten worden. In den 90er Jahren habe, auch bedingt durch die Tierrechtsaktivisten, ein Wandel stattgefunden. Inzwischen sei die Branche auf ein gesundes Maß geschrumpft, von einem Einbruch will sie aber nicht sprechen.

In ihrem Unternehmen setzt sie auf Pelze, die durch die Fleischverarbeitung (Lamm) und Jagd (Fuchs) anfallen oder aus Zuchtfarmen in skandinavischen Ländern stammen (zum Beispiel Nerz) und unter dem Label Origin Assured (aus gesicherter Herkunft) vertrieben werden. Dies stelle sicher, dass die Haltung kontrolliert wird. Wenn die Felle keine Narben hätten, könne man davon ausgehen, dass es den Tieren gut ging, findet Metz. Ganz bewusst verzichte ihr Betrieb auf Felle aus China, wo es nicht einmal ein Tierschutzgesetz gebe.

Aus dem asiatischen Land kommt ein Großteil der unter teils haarsträubenden Zuständen „erzeugten“ Felle, die in der Pelz- und Modeindustrie verarbeitet werden. Aber auch die Tierschutzbestimmungen in den skandinavischen Herkunftsländern lassen nach Ansicht des Deutschen Tierschutzbundes in München mehr als zu wünschen übrig. „Die Haltung ist alles andere als tiergerecht und wird nur durch die Branche selbst kontrolliert. In den Pelzfarmen etwa in Finnland und Schweden bietet sich ein absolut frustrierendes Bild“, sagt die zuständige Referentin Henriette Mackensen.

Schönheit ohne Pelz

Umso mehr freut sie sich darüber, dass der große Dänische Modekonzern „Bestseller“ sich kürzlich entschieden hat, in seinen 15 000 Filialen in mehr als 70 Ländern ganz auf Echtpelz zu verzichten. Der Textilriese, zu dem auch die in der Karolinenstraße vertretenen Label Vero Moda und Jack & Jones gehören, ist der Fur Free Retail Allianz (FFR – Mode ohne Pelz) beigetreten. Alle darin zusammengeschlossenen Firmen haben sich dazu verpflichtet, auf Echtfell zu verzichten. (Unter www.furfreeretailer.com kann die Liste eingesehen werden) „Das hat nicht nur für die Kunden eine wichtige Signalwirkung. Es erhöht auch den Druck auf andere Modefirmen“, betont die Sprecherin des Tierschutzbunds, der selbst Mitglied bei der FFR-Allianz ist. Es sei eine wichtige Botschaft, um der Pelzindustrie entgegenzutreten. Denn jedes Jahr sterben allein in Europa über 30 Millionen Nerze und zwei Millionen Füchse für die Mode, nachdem sie eingepfercht in winzigen Käfigen aufgewachsen sind. In China sind es laut Schätzungen weitere 70 bis 80 Millionen Tiere.

Den Trend zu kuscheligen Pelzverzierungen bewertet Henriette Mackensen als besorgniserregend. Quasi durch die Hintertüre werde Echtfell auf diese Weise wieder salonfähig. Bei einer kleinen Bommel oder einem Kragen würden die Leute denken: „Ach, das ist ja nur ein kleines Stückchen, dafür muss doch kein ganzes Tier sterben.“ Dabei erwirtschafte die Pelzindustrie in Europa die Hälfte ihres Umsatzes mit solchen Applikationen.

Ahnungslose Verbraucher

Wenn es um Fellbesatz geht, sind viele Verbraucher nach den Erfahrungen von Henriette Mackensen ziemlich ahnungslos. „Sie wissen oft gar nicht, wann es sich um echten oder Kunstpelz handelt.“. Echter Pelz aus Massenzüchtungen ist oft billiger, als die Webvariante. Am 9. November 2014 wurde in der Europäischen Union eine Kennzeichnungspflicht für Kleidungsstücke eingeführt, die Teile tierischen Ursprungs, wie Leder, Pelz, Horn oder Daunen enthalten. Sie müssen nun einen entsprechenden Vermerk enthalten.

Das geht Tierschützern aber nicht weit genug. Sie fordern eine Regelung, wie sie die Schweiz hat. Durch Angabe von Tierart, Herkunft des Fells und Gewinnungsart können Konsumenten beim Kauf eine bewusste Entscheidung treffen. Hierzulande werden für Pelze oft Tarnnamen verwendet, die verschleiern, welchem Tier man das Fell über die Ohren gezogen hat. Wer zum Beispiel meint, sich mit dem Pelz eines bei der Jagd erlegten asiatischen Wolfs zu schmücken, trägt in Wirklichkeit einen toten Hund um den Hals.

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