Endzeit-Drama mit Akkordeon und Lagerfeuer

22.5.2010, 00:00 Uhr
Endzeit-Drama mit Akkordeon und Lagerfeuer

Mit »Paradise Lost« hat Gerhard Faul also einen durchaus bedeutungsschwangeren Titel für seinen 22 Minuten langen Spielfilm gewählt. Thematisch wagt sich der für seine Dokumentationen wie »Konzentrationslager Flossenbürg« oder »Punx not dead?« bekannte Filmemacher auf gänzlich neues Terrain.

»Paradise Lost« ist nämlich als Hommage an die Endzeitfilme der 80er Jahre gedacht. Postapokalyptische Streifen hatten in der Ära von Aufrüstung und Nato-Doppelbeschluss Hochkonjunktur. Egal ob »Mad Max«, »The Riffs – Die Gewalt sind wir« oder »Fireflash«, das Grundszenario ist immer dasselbe. Häusergerippe stehen vor einem düsteren Horizont. Atombomben haben ganze Arbeit geleistet. Nur wenige Menschen überlebten.

Die neuen Herrscher dieses wenig heimeligen Fleckchens sind entweder faschistoide Möchtegern-Diktatoren, Menschen-Mutationen oder marodierende Rocker-Gruppen mit Hang zu exaltierten Frisuren.

Faul wählt als Einstiegsszene den mit Graffiti verschmierten Durchgang zwischen Kettensteg und Hallerwiese. Danach sieht man vergammelte Backsteinbauten und Punker, die in einer großen Plastikmülltonne nach Essbarem suchen.

Dann fängt die Kamera die Glasfassaden der Bundesanstalt für Arbeit ein, die hier wohl bedrohlich wie Draculas Schloss wirken soll. Dazu singt Johanna Moll mit gehörig Pathos in der Stimme »Wir lassen die Fahnen wehen, denn Babylon muss untergehen.«

Danach, Auftritt der Hauptperson: Eine junge Mutter, die ihre Tochter samt Teddybär packt, und mit einem Leiterwagen das Weite sucht. Sie hat nämlich gehört, in den Bergen sollen die Ausgestoßenen leben. Schon bald stehen ihr wilde Gesellen mit Speer und Streitaxt gegenüber. Man nimmt sie mit zum Unterschlupf der Rebellen und schenkt einen Teller warmes Essen und ein nettes Lächeln. Doch die Neuankömmlinge haben keine Zeit sich zu akklimatisieren. Am nächsten Tag nämlich, soll Babylon dem Erdboden gleich gemacht werden.

Wer bei »Paradise Lost« eine Dramaturgie oder eine Geschichte erwartet, der hat Pech. Das hat der Streifen von Gerhard Faul mit vielen anderen Vertretern des Endzeitgenres gemeinsam.

Doch warum der Filmemacher auf jegliche Ironie verzichtete und eine brottrockene und unfreiwillig alberne Polit-Parabel drehte, dies bleibt sein Geheimnis.

Den jungen Darstellern kann man diese Schwächen nicht ankreiden. Nett geriet folgende Szene: Johanna Moll sitzt mit ihrem Akkordeon am Lagerfeuer und intoniert ihr Babylon-Lied, dabei wird sie von einem inbrünstig singenden Punker-Chor begleitet. Thomas Susemihl

Filmpremiere: 25. 5. um 21 Uhr, 21.30 Uhr und 22 Uhr im KommKino, Künstlerhaus

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