Enge, kaum Privatsphäre: So leben Flüchtlinge in der Tillystraße

3.3.2015, 09:26 Uhr
Enge, kaum Privatsphäre: So leben Flüchtlinge in der Tillystraße

© Barbara Zinecker

Das ehemalige Bürogebäude in der Tillystraße wurde ursprünglich als Unterkunft für 250 Menschen konzipiert, muss jedoch aktuell weit mehr Flüchtlingen Zuflucht bieten. „Wir versuchen, die Zahl konstant bei ungefähr 300 zu halten“, erklärt die Kreisgeschäftsführerin des BRK-Kreisverbandes Nürnberg-Stadt, Brigitte Lischka. Doch gerade erst kam wieder einige Menschen aus Zirndorf – zurzeit sind es 346 Flüchtlinge.

Die meisten stammen aus dem Kosovo. Die Chance, dass sie in Deutschland bleiben dürfen, liegt bei 0,3 Prozent. „Der Kosovo gilt als sicheres Herkunftsland, das ist allerdings ein riesiger Fehler“, sagt der 30-jährige Kosovare Altrin Azemi. „Blutrache und Korruption sind dort an der Tagesordnung, die Armen werden ärmer, die Reichen reicher und für die Jugend gibt es keine Arbeitsplätze.“

Ab 12 Uhr gibt es Mittagessen. Heute steht Spaghetti Bolognese auf dem Speiseplan. Schweinefleisch wird nie angeboten, weil viele Flüchtlinge, zum Beispiel aus Albanien, Muslime sind und kein Schweinefleisch essen.
Über 70 Ehrenamtliche helfen täglich in der Essensausgabe, aber auch in der Ausgabe der Kleider oder beim Verteilen der Hygienebeutel aus. Jeder Neuankömmling erhält dafür einen Gutschein.

Kleiderspenden und Taschengeld

Heraussuchen können die Flüchtlinge sich ihre Sachen in der hauseigenen Kleidersammlung selbst. Diese wird aus Spenden an das Rote Kreuz gespeist. „Wir möchten, dass die Textilien die Flüchtlinge nicht nur warm halten, sondern, dass sie sich auch wohl darin fühlen“, erklärt Brigitte Lischka. Die Hygienebeutel enthalten für die Babys Windeln, für die Männer Rasierer, für die Frauen Binden und für alle Duschgel, Deodorant, Zahnpasta und alles, was sonst für ausreichende Körperhygiene nötig ist.

Bei der Registrierung im Erstaufnahmelager wird auch Taschengeld an die Familien ausgezahlt. Aktuell sind dies 183,76 Euro pro Erwachsenem, der Satz für Kinder wird nach Alter berechnet.

„Nationalitäten, die sich aus der Geschichte heraus nicht so gut verstehen, wie Ukrainer und Russen, versuchen wir zu trennen. Außerdem sollen Familien möglichst in einem Zimmer untergebracht werden“, erklärt Brigitte Lischka das Vorgehen. Höchstens 20 Personen schlafen zusammen in einem Zimmer. Man sieht, dass sie sich nach Privatsphäre sehnen – mit Decken haben die Flüchtlinge die Seiten ihrer Doppelstockbetten abgehängt, sich ihre eigene kleine Höhle gebaut.

Nasenspray und Lutschtabletten

Täglich von 13 bis 17 Uhr hält ein Allgemeinarzt Sprechstunde im Flüchtlingslager. Die 25-jährige Hanife Güney ist Arzthelferin: „Es kommen bis zu 35 Menschen pro Tag zu uns, die meisten mit einer Erkältung. Wir versuchen, mit Nasenspray oder Lutschtabletten zu helfen.“ Bei akuten Krankheiten verweist der Arzt an einen Spezialisten.

Besonders viel zu tun haben die vier Sozialpädagogen des Hauses. Sie erklären den Flüchtlingen, wie es mit ihrem Asylantrag weiter geht. Aber vor allem betreiben sie Seelsorge. Die Angst vor der Abschiebung treibt die Flüchtlinge am meisten um.

Verwandte Themen


10 Kommentare