"Enkel sitzen bei der Oma im Garten und machen Party"

24.5.2017, 07:59 Uhr

© Günter Distler

Herr Obermeier, wie sieht die Arbeitsteilung in Ihrem Kleingarten aus?

Jochen Obermeier: Ich baue die Hochbeete, kümmere mich um das Gewächshaus und das Gemüse. Meine Frau hält alles sauber. Sie möchte eher einen wohnzimmernahen Garten, ich hab es lieber naturnäher. Aber wir vertragen uns trotzdem (lacht).

© Michael Matejka

Die Ansichten über das Gärtnern gehen ohnehin ziemlich auseinander. Das Klischee, dass Kleingärten die Hochburgen der Gartenzwerge sind, hält sich hartnäckig. Ist da was dran?

Obermeier: Wir wünschen uns im Stadtverband und auch in den einzelnen Anlagen die Vielfalt. Grob gesagt gilt, dass jeder nicht mehr als ein Drittel seiner Parzelle für Rasen reservieren sollte und mindestens auf einem Drittel müssen Gemüse, Obst und Sträucher wachsen. Da ist doch vieles möglich. Und 80 Prozent der Mitglieder verzichten inzwischen auf Chemie. Auch die Älteren, die früher gespritzt haben, um den größten Kürbis zu ernten, denken um.

Wie sieht es mit der Altersmischung aus, wachsen junge Gärtner nach?

Obermeier: Der Stadtverband ist für 5977 Kleingärten zuständig. Letztes Jahr gab es 450 Pächterwechsel. Vielleicht 20 Prozent der Parzellen haben junge Familien gepachtet. So seit 2010 merken wir, dass wieder mehr junge Leute Spaß am Gärtnern haben. Aber der Zuspruch könnte größer sein. Wir hatten Jahre, da gab es in einigen Kolonien gar keine Kinder. Zugleich ehren wir aber immer öfter Mitglieder, die ihren Garten schon seit über 50 Jahren pflegen.

Wieso blieben die Jungen überhaupt weg? Ein Garten in der Stadt ist doch immer ein toller Ausgleich zu Wohnblocks und Autoverkehr.

Obermeier: Es gab eine Zwischengeneration, die hatte einfach keine Lust mehr aufs Gärtnern. Die wurden als Kinder immer von ihren Eltern in den Kleingarten mitgeschleppt und wollten als Erwachsene dann nichts mehr davon wissen. Jetzt sind es teilweise deren Kinder, die es wieder ins Grüne zieht. Die sitzen bei Oma und Opa auf der Wiese und feiern Grillpartys.

Wie sieht das bei Ihren Kindern aus?

Obermeier: Der Sohn meiner Frau war als Kind und Jugendlicher gerne im Garten. Damals übernachtete er sogar mit seinen Freunden unter dem Dach unserer Datscha. Mittlerweile hat er ein eigenes Haus mit Garten, da ist er natürlich nicht mehr im Verein.

Ist es nicht verboten, im Kleingarten zu übernachten?

Obermeier: Man darf nicht den ganzen Sommer im Gartenhaus schlafen. Aber mal eine Nacht ist nicht verboten. Einige Mitglieder haben sich im Laufe der Jahre auch ein Chemieklo oder die ökologische Variante mit Hackschnitzeln in die Hütte gebaut.

Wie funktioniert das Miteinander von Familien und Älteren?

Obermeier: Kleingärtner sind neugierige Leute. Wir fragen gerne über den Zaun rüber, was der Nachbar so anbaut. Auch Ratschläge gehen hin und her. Das Miteinander ist also insgesamt ganz gut. Aber wenn Familien mit zwei oder drei Kindern den ganzen Kindergarten einladen, wird es auch mal so laut, dass es andere zu Recht nervt.

Haben alle Mitglieder einen Sinn fürs Vereinsleben?

Obermeier: Ich muss leider sagen, dass bei einem Prozent der Mitglieder die Uneinsichtigkeit wächst. Sie sind bei der Anmeldung noch sehr freundlich, doch kaum ist der Pachtvertrag unterschrieben, wollen sie von dem Verein und den Regeln nichts mehr wissen. Garten verwahrlosen oder an die Hütte wird unerlaubt angebaut. Dann muss der Verband schon mal seine Anwälte einschalten. Leider.

Drängt es aktuell denn viele Nürnberg in die Kleingartenkolonien?

Obermeier: Oh ja, auf der Wartelisten stehen 502 Bewerber. Es kann über zwei Jahre dauern, bis ein Garten frei wird. Es gibt Anlage wie die in der Waldaustraße in Schweinau, die gar keinen mehr auf die Warteliste setzen, weil es jetzt schon vier Jahre dauert, bis man zum Zug kommt. Das Problem gibt es vor allem im Süden der Stadt. Auch weil dort mehr Migranten und Zuzügler leben, die sich wie die Russlanddeutschen auf der Parzelle ein Stück Heimat schaffen möchten.

Wie hoch ist der Anteil von Migranten unter den Mitgliedern?

Obermeier: Bezieht man die Russlanddeutschen mit ein, sind es über 50 Prozent. Wir sind da weltkugelumgreifend, unsere Mitglieder kommen aus Afrika, Arabien genauso wie aus der Türkei oder Rumänien.

Tut die Stadt genug für die Kleingärtner?

Obermeier: Wir wundern uns, dass bei großen Neubauprojekten wie an der Brunecker Straße keine Kleingärten geplant werden. Auch am Tiefen Feld soll es keine zusätzlichen geben. Seit 2004 wurde keine neue Kolonie eröffnet. Wir möchten den Druck auf die Politik erhöhen und mit den Stadtplanern überlegen, ob man nicht in neuen Bahnen denken sollte. Was spricht gegen kleine Anlagen mit vier Parzellen und einem zentralen Anlaufpunkt für diejenigen, die dort gärtnern? Es müssen nicht immer große Anlagen sein. In diese Richtung sollten wir überlegen.

Interview: Ute Möller

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