Erstes Bundeswehr-Karrierecenter ist in Nürnberg

3.12.2012, 20:18 Uhr
Kreiswehrersatzämter waren gestern, nun betreibt die Bundeswehr sogenannte Karrierecenter in allen 16 Bundesländern.

© dpa Kreiswehrersatzämter waren gestern, nun betreibt die Bundeswehr sogenannte Karrierecenter in allen 16 Bundesländern.

Veranstaltungen der Bundeswehr geraten gelegentlich etwas steif. Da kann es nicht schaden, wenn unter den „Grußwortlern“ schon einmal jemand ohne Rang und Gehorsam die Sache nicht ganz so ernst nimmt. „Vor 40 Jahren hatte ich meinen letzten Termin bei Ihnen“, witzelte Dirk von Vopelius bei der Eröffnung des ersten Karrierecenters der Bundeswehr in der Allersberger Straße 190.

Seit 1991 war hier das Kreiswehrersatzamt Nürnberg untergebracht. Die bei vielen jungen Männern ungeliebten Musterungsstellen der Bundeswehr gibt es seit vergangenen Freitag nicht mehr. 52 waren nach dem Aussetzen der Wehrpflicht zum Schluss übrig geblieben. Vopelius, heute Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK), war einer von 458.000 mittelfränkischen Wehrpflichtigen, die in Nürnberg auf ihre Diensttauglichkeit für Heer, Luftwaffe oder Marine seit 1956 gemustert wurden. „Da haben sich viele Dramen und Episoden auf beiden Seiten des Tisches abgespielt“, sagte er. Der letzte wehrpflichtige junge Mann erhielt in Nürnberg am 21. Dezember 2010 seinen Musterungsbescheid. Er entschied sich aber für ein freiwilliges soziales Jahr.

Zwei Jahre Ungewissheit

„Das stimmt schon etwas nachdenklich, wenn eine Dienststelle wie diese nach 56 Jahren aufgelöst wird“, räumte Gerd Eickmeyer ein, der das Kreiswehrersatzamt seit 2005 geleitet hat. Für die Mitarbeiter folgten „zwei Jahre Ungewissheit“, so der Leitende Regierungsdirektor. Zwei Jahre, „in denen wir von der Hand in den Mund gelebt haben“, so umschrieb die Situation Christian Schmidt, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium und Fürther Bundestagsabgeordneter (CSU).

Seit gestern nun residiert in der Allersberger Straße das Karrierecenter, mit seinen „76 zivilen Dienstposten“ für Franken, die Oberpfalz und Niederbayern zuständig. „Das erste in Deutschland“, betonte Michael Brod, Präsident der Wehrbereichsverwaltung Süd. Die Bundeswehr ist in einem gewaltigen Umbruch.

Der macht auch vor den uniformierten Musikern des Luftwaffenmusikkorps aus Neubiberg nicht halt, die zum Festakt spielten und sich einen neuen Standort suchen müssen. Im Karrierecenter wird es künftig, anders als noch im Kreiswehrersatzamt, keine ärztliche und psychologische Untersuchung sowie Einplanung für einen freiwilligen Wehrdienst zwischen sieben und 23 Monaten mehr geben.

Hauptaufgabe ist künftig auf der einen Seite die Gewinnung von neuem Personal. Die Armee braucht Soldaten. 2013 wird das erste Jahr nach der Aussetzung der Wehrpflicht, erklärt Verteidigungsstaatssekretär Schmidt, in dem „wir erstmals ohne den Überhang alter Wehrdienstleistender auskommen müssen. Die Bundeswehr muss sich öffnen.“ Er nennt es ein „Jahr der Herausforderung“. Denn die Bundeswehr konkurriert um die jungen Männer und immer mehr Frauen mit der Wirtschaft.

Die 16 Karrierecenter, die nun nach und nach in Betrieb genommen werden und von denen es in Bayern als einzigem Bundesland zwei geben wird (München), sollen bei der Akquise helfen. Dabei sieht Dirk von Vopelius die Bundeswehr — trotz drohendem Fachkräftemangel — nicht als Konkurrenz. „Wir haben allen Grund zu kooperieren“, betonte der Ex-Wehrpflichtige und IHK-Präsident. Denn die Unternehmen haben großes Interesse an früheren Soldaten.

Das wissen auch Johannes und Monika Jakobs-Woltering, die sich mit dem Arbeitskreis Bundeswehr und Wirtschaft Bayern seit Jahren um den Übergang von Soldaten ins zivile Berufsleben kümmern. „Zwei Drittel der Zeitsoldaten haben ein befristetes Arbeitsverhältnis“, betonen sie. Nach vier, acht oder zwölf Jahren wechseln sie in die freie Wirtschaft.

Dies ist eine weitere Aufgabe des neuen Karrierecenters in Nürnberg. Schon während ihrer Dienstzeit betreuen die Mitarbeiter die Soldaten und sind auch an den Standorten präsent. Es geht um Qualifizierung bis hin zum Meisterbrief oder Studium. Und schließlich versorgt die neue Stelle auch die Reservisten. „Wir schauen nun nach vorn“, sagte Karrierecenter-Leiter Gerd Eickmeyer und kündigte als Musikstück den Fliegermarsch an.

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