Es fehlen Schulpsychologen für Flüchtlinge

10.11.2015, 21:23 Uhr
Es fehlen Schulpsychologen für Flüchtlinge

© F.: dpa

Angesichts vieler junger Flüchtlinge an bayerischen Schulen fordert ein Nürnberger Pädagogik-Experte den verstärken Einsatz von Psychologen an Schulen. „Man bräuchte im Grunde an jeder Schule eine schulpsychologische Beratung. Einerseits für die Flüchtlinge, die fast alle in irgendeiner Weise traumatisiert sind. Andererseits aber auch für die Lehrer, die oft mit dieser Situation überfordert sind“, sagte Bernhard Jehle, Leiter des Instituts für Pädagogik und Schulpsychologie Nürnberg (IPSN).

Das Kind oder der Jugendliche habe vielleicht auf der Flucht jemanden neben sich tot niedersinken oder ertrinken sehen. „Für ein Kind kann es auch traumatisierend sein, wenn es eine ganze Nacht auf einer Brücke an der Salzach oder am Inn verbringen muss – oder ein Elternteil in der Heimat zurückgelassen werden musste.“ Solche Probleme brächten die Flüchtlinge mit in die Schulen. „Und da braucht es Psychologen.“

Im September hat das IPSN gemeinsam mit dem Integrationsbeirat und der Stadt ein Pilotprojekt an Nürnberger Berufsschulen gestartet: Flüchtlingen und deren Lehrern steht dort jetzt eine Schulpsychologin zur Verfügung, die direkt in die Klassen geht. „Das ist bayernweit einmalig“, sagte Jehle. Er sei sehr gespannt auf die ersten Erfahrungen.

Das IPSN ist das älteste Lehrerfortbildungs-Institut Bayerns — jährlich besuchen etwa 8000 Teilnehmer die Seminare und Workshops. Seit 50 Jahren initiiert es außerdem innovative Schulentwicklungskonzepte, die auch bayernweit Anwendung finden. „Wir sind häufig der Zeit etwas voraus“, meinte Jehle. So bietet das Nürnberger IPSN bereits seit 1983 Fortbildungen für Lehrer und Schulen zum Thema Islam an.

Am 27. und 28. November veranstaltet das kommunal finanzierte Institut – nur zwei weitere dieser Art gibt es in Deutschland, in München und Bremerhaven – die Fachtagung „Herausforderung Vielfalt – Schule gemeinsam gestalten!“. Das Thema Integration spielt dabei eine zentrale Rolle. Neben der psychologischen Betreuung hält Jehle an den Schulen sprachsensiblen Unterricht für immer wichtiger. „Die Frage lautet heute: Wie kann ich als Lehrer Fachwissen in einer Klasse vermitteln, in der eben nicht nur Deutsche sitzen?“ Am IPSN wird das mit Lehrern trainiert: „Der Mathelehrer muss dann zum Beispiel eine Deutschaufgabe und der Deutschlehrer eine Matheaufgabe erklären.“

An dem Pädagogik-Institut läuft auch ein laut Jehle bundesweit einmaliges Migrationsprojekt: Sogenannte „Elternlotsen“ gehen mit Migrantenfamilien zu Elternabenden und Elterngesprächen und übersetzen. „Dabei geht es gar nicht so sehr um die 1:1-Sprachübersetzung, sondern eher darum, zu erklären, wie unser mehrgliedriges Schulsystem überhaupt funktioniert.“ Knapp 30 Sprachen decken die ehrenamtlichen Lotsen mittlerweile ab.

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