Es gibt sehr wohl Firmen, die Mittelschüler wollen

3.7.2014, 21:13 Uhr
Es gibt sehr wohl Firmen, die Mittelschüler wollen

© Roland Fengler

Lukas Eigelts Aufgabe ist es, möglichst viele Jugendliche zu einem Informationsgespräch bei der AachenMünchener zu bewegen. Am Stand des Versicherers ist gerade kaum etwas los. Also versucht es der 22-Jährige offensiv, als eine junge Frau den schmalen Gang zwischen den Ausstellern entlangläuft: „Hey, hast du schon eine Ahnung, was du später machen willst? Wie wäre es mit Versicherungen?“ Antwort: „Nein.“

Eigelt will die Schüler locker anquatschen, damit sie sich ein bisschen über die Berufe bei seinem Arbeitgeber informieren lassen. Auch Mittelschüler? Da wird’s schwierig: Hier wird die Ausbildung zum Versicherungskaufmann und ein duales Studium zum Wirtschaftswissenschaftler vorgestellt. Beides kommt für Jugendliche mit qualifiziertem Hauptschulabschluss nicht infrage. „Die Jugendlichen sind natürlich enttäuscht, wenn ich ihnen sagen muss, dass ihre Qualifikationen nicht ausreichen“, sagt Eigelt. Aber: „Ich darf ihnen keine falschen Hoffnungen machen. Ich muss ehrlich zu ihnen sein.“

Was soll ich anziehen?

Damit es vor Ständen wie dem der AachenMünchener möglichst wenig enttäuschte Gesichter gibt, ist Uwe Eber da. Der Sozialpädagoge sitzt in der „Lehrerlounge“: Ein Gang mit Sitzgelegenheiten. Vor ein paar Wochen ging er zusammen mit Vertretern des Instituts für Talententwicklung (ift) — das die Fachmesse organisiert und ausrichtet — durch die achten Klassen seiner Friedrich-Herschel-Mittelschule in Nürnberg. Er besprach mit den Schülern, welche Angebote es für sie auf der Messe gibt. „Manche sind frustriert, wenn sie erfahren, dass es für sie hier deutlich weniger Angebote als für die Realschüler und Gymnasiasten gibt“, sagt Eber.

Es gibt sehr wohl Firmen, die Mittelschüler wollen

© Roland Fengler

Er ermutigte die Jugendlichen, wenigstens zu den Ständen zu gehen, die für sie infrage kommen. Das sind vor allem Vertreter von Discountern, die eine Ausbildung zum Verkäufer schmackhaft machen wollen. Zahlreiche Gesprächstermine vereinbarten die Schüler daraufhin schon vorab mit den Ausstellern. „Sie haben begriffen, dass der Tag heute für sie eine große Chance ist“, sagt Eber.

Eine große Chance, das erste Mal in ungezwungener Atmosphäre für den Ernstfall zu üben: das Vorstellungsgespräch beim potenziellen Arbeitgeber. Was soll ich anziehen? Wie verhalte ich mich bei der Begrüßung? Fragen wie diese mussten sich die Schüler laut dem Sozialpädagogen zum ersten Mal überhaupt stellen. Aber alles weitere sollen die Jugendlichen am besten selber erzählen, meint Eber.

Also geht es mit ihm zurück in die Halle, vorbei an Ständen von Siemens, Bosch und anderen. Überall das gleiche Bild: An Tischen sitzen sich Firmenvertreter und Schüler gegenüber. Schüler erzählt, Firmenvertreter nickt eifrig. Dann läuft es wieder umgekehrt. Bei adidas ist es besonders locker: Statt feine Geschäftskleidung tragen die Repräsentanten des Sportartikelherstellers Fußballtrikots. Das macht Eindruck bei den Jugendlichen. Am Stand geht es wie auf einer Kirchweih zu. Laut und lustig. Die Wortwahl ist der Zielgruppe angepasst: „Das kommt drauf an, auf was du Bock hast und welche Talente du hast. Wenn du supercool bist . . . “

Dann hat Eber ein paar der gesuchten Schülerinnen gefunden. Sabrina, Ditjana, Altina, Adhuresa und Ricia. Alle sind 14 Jahre alt. Sabrina verabschiedet sich sofort, sie hat noch einen Gesprächstermin bei der N-Ergie, sie möchte auf keinen Fall zu spät kommen. Eber lächelt. Da hat jemand die Sache mit der Probe für den Ernstfall verstanden.

Stadt Nürnberg ist der Plan B

Die anderen haben ihre ersten Gespräche schon hinter sich. „Die Leute waren an jedem Stand supernett zu uns“, berichtet Ditjana. Sie interessiert sich für eine Ausbildung zur Bankkauffrau. „Aber dafür brauche ich den Realschulabschluss“, erzählt die Achtklässlerin. Sie hat aber ohnehin schon darüber nachgedacht, weiter auf die Schule zu gehen, um die mittlere Reife zu erlangen.

Ihr Plan B ist eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Nürnberg. Wenn Ditjana Glück hat, reicht dafür der Quali. „Ich weiß noch nicht genau, was ich machen werde“, erzählt die 14-Jährige, „aber nächstes Jahr im April werde ich mich auf jeden Fall bei der Stadt bewerben.“

Auch Altina, Adhuresa und Ricia haben für die Zukunft noch einiges vor. Die eine träumt von einer Ausbildung als Lageristin bei adidas. Die andere hat eher eine Ausbildung als Verkäuferin bei einem Discounter im Auge. Egal, auf welchen Beruf am Ende die Wahl fällt, für Sozialpädagoge Eber steht fest: „Die Messe ist hervorragend geeignet, damit die Schüler sehen, dass es sehr wohl Firmen gibt, die sie gerne haben möchten.“

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