Experten entwerfen düstere Szenarien im Kampf gegen Doping

24.10.2015, 22:04 Uhr
In Nürnberg trafen sich Doping-Experten bei einem Symposium.

© dpa In Nürnberg trafen sich Doping-Experten bei einem Symposium.

Renommierte Doping-Experten haben ein düsteres Bild für den Anti-Doping-Kampf gezeichnet. Designer-Drogen, neue Substanzen oder Feindosierungen: Den Sportbetrügern ist immer weniger auf die Schliche zu kommen. «Wir müssen feststellen, dass das wissenschaftliche Doping im Spitzensport nicht mehr erkannt werden kann», sagte der Heidelberger Zellbiologe Werner Franke bei einem internationalen Symposium am Freitag in Nürnberg.

Harsche Kritik äußerte Perikles Simon am Doping-Kontrollsystem und dem Missverhältnis zur Förderung neuer Nachweismethoden. «Man verfeinert die Kontrollen und drangsaliert die Athleten mit Tests, verbessert aber nicht entscheidend die Analysemethoden. Das ist eine Unverschämtheit», sagte der Forscher von der Uni Mainz. Zumal durch Kontrollen nur sehr wenige Betrüger erwischt werden. Von den rund 8650 Tests der Nationalen Anti-Doping-Agentur 2014 führten nur drei zu Sanktionen.

Laut Simon würden Hunderte von Millionen Dollar für Tests ausgegeben, aber nur ein Bruchteil davon für die Entwicklung neuer Nachweisverfahren. «Das Anti-Doping-System wird in manchen Bereichen extrem gesteuert. Was für Geld fließt aber in kritische Reflexion und Qualitätsmanagement», fragte Simon.

Auch Bengt Kayser, Wissenschaftler aus Lausanne, hält ein Nachdenken über die gegenwärtigen Anti-Doping-Maßnahmen für notwendig. Sein Vorschlag: Sportarten mit extremer Doping-Vergangenheit wie Kugelstoßen oder Gewichtheben aus den Programmen von Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften - zumindest zeitweise - verbannen. «Politisch wäre das wirklich ein intelligentes Vorgehen», sagte er.

Wenig Hoffnung machte Hellmuth Mahler, Sachverständiger beim Landeskriminalamt in Düsseldorf, im Wettlauf zwischen Doping-Betrügern, die mit immer neuen Substanzen manipulieren, und den Analytikern. Man brauche nur «ein Atom verändern» und man könne beispielsweise Millionen oder Billionen Varianten vom Blutdopingmittel EPO schaffen. «Die Szene ist uns Kriminaltechnikern überlegen», so Mahler.

Während man beim Forschen mit den gegenwärtigen Maßnahmen viel im Dunkeln stochert, sollen bald die Ergebnisse der Untersuchung der Doping-Vorwürfe gegen Sportmediziner der Universität Freiburg veröffentlicht werden. «Wir machen die letzten Zeugenbefragungen und werden den Abschlussbericht Anfang nächsten Jahres vorlegen. Danach wird die Universität den Bericht datenschutzrechtlich prüfen», sagte Letizia Paoli, Vorsitzende der Evaluierungskommission, am Rande des Symposiums.

Paoli hat insgesamt fünf Jahre für die Aufarbeitung benötigt. «Ein Erdbeben wird es vielleicht nicht geben, aber wir haben schon eine historische Aufgabe», sagte sie. «Freiburg war zweifellos das westdeutsche Doping-Zentrum. Wir versuchen so weit wie möglich die Wahrheit zu schildern.»

Bei der Aufarbeitung durch die Kommission, bei der Paoli immer wieder die Behinderung der Aufklärung durch die Uni Freiburg beklagte, gehe es darum, das System der Verantwortlichkeit aufzuzeigen. «Für uns geht es nicht um den Athleten xy, der Pillen geschluckt hat», erklärte Paoli, sondern: «Warum ist das Freiburger Doping-System entstanden und warum konnte es so lange laufen?» Und sie glaubt, noch einiges zutage gefördert zu haben, dass nicht vorab bekanntwurde: «Nach fünf Jahre Arbeit sollte etwas Neues rauskommen.»

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