Fachstelle will Beratung für Kinder ausbauen

29.8.2016, 21:00 Uhr
Fachstelle will Beratung für Kinder ausbauen

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Mitkochen lassen

Warum das nicht ausnutzen und bei der Zubereitung dem Kind kleine Aufgaben wie Paprika waschen und Salat klein zupfen geben? Mit Freude erledigen die kleinen Helfer die Aufgabe – und stecken vielleicht schon nebenbei die eine oder andere Zutat in den Mund. Christine Ertl von der Fachberatungsstelle für Frauen mit Esstörung "dick und dünn" rät: "Optimal wäre es, mit dem Kind schon gemeinsam zum Einkaufen zu gehen — wenn es sich denn einrichten lässt." Der Alltag schaut allerdings bei vielen Familien so aus, dass Eltern zwischen Arbeit und Kita hin- und herhetzen — viel Zeit für Koch-Aktionen bleibt da oft nicht. Und so sagt auch Christine Ertl: "Man sollte sich nicht zusätzlichen Druck aufbauen, sondern schauen, wann man das mal machen kann."

Gemeinsam genießen

Das Kind muss abends alleine essen, die Eltern setzen sich erst später an den Tisch: Richtig gemütlich ist das nicht. Eine angenehmere Atmosphäre herrscht dagegen, wenn alle Familienmitglieder zusammen die Mahlzeit einnehmen — und dann schmeckt’s gleich viel besser. Christine Ertl schlägt vor, dass sich ab und an mal jedes (!) Familienmitglied eine Speise wünschen darf — und die anderen dürfen dann nicht über die Wahl des Einzelnen meckern.

Das Auge isst mit

Blumen auf dem Tisch, ein kleines Kerzenlicht, Servietten: So macht das Essen mehr Spaß. Das weiß auch Christine Ertl: "Essen mit allen Sinnen ist ein wichtiges Thema. Kinder sprechen darauf an." Wenn das frisch geschnittene Gemüse in Form einer Schnecke auf dem Teller drapiert wird, wenn Paprika und Salami ein lustiges Gesicht ergeben, greifen Kinder gerne zu. Doch die Diplom-Sozialpädagogin rät auch, im Alltag pragmatisch zu sein. "Man sollte sich keine zu hohen Ziele setzen. Wenn man Spaß daran hat, kann man das durchaus einplanen."

Nicht mit Bonbons trösten

Das Kind fällt hin und weint — und Mama oder Papa zücken das Bonbon. Soll man auf derartige Trostpflaster zurückgreifen? "Auf keinen Fall!", betont Christine Ertl. Wir essen, um satt zu werden. Wir sollten nicht essen, um Gefühle wie Kummer und Frust zu verarbeiten. So sagt auch die Expertin: "Es ist ungünstig, wenn das Essen mit Emotionen verbunden wird."

Feste Zeiten

Morgens, vor Schule und Kindergarten, zählt jede Minute — doch Zeit für ein kleines Frühstück sollte sein. Das gilt auch — wenn machbar — fürs Mittagessen und fürs Abendessen. Ein fester Tagesablauf ist gut für Kinder, ergänzt Christine Ertl: "Das ist sehr wichtig, denn Kinder sind Fans von Ritualen."

Vorsicht bei Naschereien

Eis, Schokolade, Gummibärchen: Wie hält es denn die Expertin mit diesem Thema? Die überraschende Antwort von Christine Ertl: "Hier kann man ruhig ein bisschen Gelassenheit und Großzügigkeit zeigen." Wenn die Ernährung vielfältig ist, dann ist eben auch eine Süßigkeit drin. Doch was tun, wenn das Kind ständig Kuchen und Co. haben möchte? Ertls Tipp: "Eine gute Hilfe ist, das zu ritualisieren." Die Nascherei gibt es etwa immer nach dem Mittagessen — und die nervigen Nachfragen wie "Wann kriege ich endlich was?" sind Vergangenheit. Übrigens: Wenn sich Kinder danebenbenehmen, drohen Eltern gerne mit Süßigkeiten-Entzug. Die Expertin rät davon ab: "Verbote bewirken oft das Gegenteil. Süßigkeiten werden dadurch nur interessanter."

Keine Ablenkung

Fachstelle will Beratung für Kinder ausbauen

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Hat man einen schwierigen Esser, greifen Eltern mitunter in die Trickkiste. Manche legen ein Auto oder einige Bausteine auf den Essenstisch: Während das Kleinkind spielt, geht immer wieder langsam der Mund auf, weil Papa oder Mama ihr Kind mit Brei füttern. Anderswo läuft der Fernseher während des Abendessens. Ablenkung sei keine gute Methode, so Ertl: "Eltern bringen so das natürliche Hunger- und Sättigungsgefühl des Kindes aus dem Gleichgewicht."

Die Tagesstimmung hängt vom Gewicht ab, ständig kreisen die Gedanken um Kalorien, man kann gegen die Fressanfälle nicht ankämpfen: Hier hilft die Fachberatung für Frauen mit Essstörungen "dick und dünn". Auch Angehörige, die sich Sorgen um ein Familienmitglied machen, bekommen hier Beistand.

Mitarbeiterin Christine Ertl sagt: "Wir beraten anonym und kostenlos." Bei Bedarf vermittelt das Team weiter an ambulante und stationäre Einrichtungen oder Experten. Die Einrichtung, die 2006 mit dem Frauenförderpreis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet worden ist, finanziert sich über den Bezirk Mittelfranken und die Stadt — und ist dennoch stark auf Spenden angewiesen.

Zunehmend wenden sich besorgte Eltern an die Einrichtung. "Bei Jugendlichen besteht eine Beratungslücke", berichtet Ertl. Der gemeinnützige Träger will hier seine Arbeit ausweiten und hat bereits entsprechende Anträge, unter anderem bei der Stadt, gestellt.

Die Fachberatung für Frauen mit Essstörungen "dick und dünn", Kühnertsgasse 24, ist erreichbar im Internet unter www.essstoerungen-mittelfranken.de und unter Telefon (09 11) 47 17 11.

Spenden an die Evangelische Bank, IBAN DE40 5206 0410 0003 5003 06.

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