Falafel neben Spargel: Reibereien am Nürnberger Hauptmarkt

3.6.2015, 06:00 Uhr
Falafel neben Spargel: Reibereien am Nürnberger Hauptmarkt

© Edgar Pfrogner

Manchmal fällt das böse Wort von den „Kanaken“. Das beklagen zumindest die Händler, die ihre Buden an der zugigen Westseite des Marktes aufgestellt haben; da ist Ahmad Kalil neben Lemir Tarek Chehab, ganz vorne steht Mahmut Alnayef. Die Alteingesessenen mögen die Neuen nicht, seufzen sie hinter ihren sorgsam geputzten Imbiss-Tresen. Die Stimmung unter den Händlern sei schlecht, man mache ihnen das Leben schwer. Noch dazu gingen die Geschäfte schleppend.

Nun ist innere Harmonie am Markt sicher nicht das entscheidende Kriterium für die Kundschaft; die schaut mehr auf Frische und Qualität. Der Weg zur multikulturellen Imbiss-Meile aber scheint unausweichlich, wenn auch holprig zu sein. Den ganzen Tag müsse sie den Fritteusen-Geruch ertragen, sagt die Frau am Räucherwaren-Stand. Wobei sie gegen die Leute nichts habe, im Prinzip.

Naschmarkt Wien, Viktualienmarkt München, hier kann man nicht nur Gemüse kaufen, sondern auch — oder vorwiegend — essen und trinken. Ein Trend, der in Nürnberg angekommen ist. Nur anders, denn abends muss der Hauptmarkt abgebaut sein. Die Menschen wollten zunehmend Fertiges kaufen, sagt etwa Gabriele Meier vom Marktamt, gerne auch den Spargel schon geschält. In einer Stadt mit 50 Prozent Single-Haushalten seien kleine, essfertige Portionen begehrt.

Die kann Ahmad Kalil, der Syrer, liefern. Oder könnte, denn nur wenige bleiben stehen, bestellen Hummus oder Falafel und stehen kauend an seinem wackeligen Stehtisch. „Ich bin nicht gestorben, ich bin nicht reich“, sagt der kleine Mann mit der blütenweißen Kappe fatalistisch und breitet die Arme aus. Hier am Hauptmarkt sei es leider „wie am Südfriedhof“.

Nur droben an der Lorenzkirche, wenn der ganze Markt wieder einmal verlegt ist, gehe das Geschäft. Das sehen die Alteingesessenen übrigens anders. Sie ziehen nicht gerne um. Auch Evangelos Kasidas nicht, der hier seit 25 Jahren französischen Käse verkauft. Die Stammkunden wollten ihren Stand am vertrauten Ort. Heuer immerhin soll es weniger große Events am Hauptmarkt geben, nachdem 2014 ein Spitzenjahr war.

Die Sonne von hinten

Nicht, dass die arabischen Händler in den rotweiß-gestreiften Wagen mit der Aufschrift „vegan, vegetarisch, Fleisch“ die Ersten hier im Fast-Food-Geschäft wären. An der Südseite werden schon länger Sushi gerollt, Fischbrötchen gefüllt, Fleischernes aus der „Heißen Theke“ verkauft und mediterrane oder Balkan-Spezialitäten angeboten. Klagte man im Marktamt vor einer Weile noch über schwindendes Händler-Interesse und nur 39 Stände, berichtet man jetzt stolz von rund 50 Verkaufsstellen. Den Zuwachs, siehe oben, bescheren unter anderem die Imbissstände. Aber auch ein neuer Bio-Metzger probiert hier sein Glück.

Allein acht fahrbare Buden reihen sich an der Südseite des Marktes auf. Kein schöner Anblick, wenn man hier entlangläuft, eher eine rot-weiß gestreifte Wand. Das habe praktische Gründe, erklärt Gabriele Meier vom Marktamt. Wer eine Kühlung habe, brauche die Sonne von hinten. Der Markt sehe aus wie eine Wagenburg, hatte der Bürgerverein Altstadt jüngst kritisiert. Übrigens: Auch die ungeliebten Aufsteller mit Werbung, über die man in der ganzen Stadt stolpert und die jetzt eingedämmt werden sollen, machen sich am Markt immer mehr breit.

Seit der Augustinerhof abgerissen ist, pfeife der Wind von Westen her heftig über die Stände, so Meier. Mancher fürchtet den Dreck auf seinem Salat, igelt sich ein und zieht dicke Klarsichtplanen um seinen Stand. Mehr Notmaßnahme als Augenweide. Doch Daheimbleiben gilt nicht, das erlaubt die Marktordnung nicht. Mindestens dreimal in der Woche müssen die Bauern und Händler mit einer Dauerzulassung antreten.

Fazit: Satt wird man hier. Nur zu trinken gibt es wenig am Markt, weil Getränke laut Marktordnung selbst erzeugt sein müssen. Seit die Winzerin mit dem Frankenwein aufgegeben hat und ein Heroldsberger Klein-Brauer sein Bier nicht mehr vermarkten darf, weil ihm der Acker mit der Braugerste nicht gehört, sieht es mau aus. Da muss Mounia Dani ran, die gebürtige Marokkanerin, die seit einem Jahr zu ihren traditionellen Süßigkeiten glühend heißen Minztee aus Gläsern serviert.

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