Fall 32: "Ich möchte so gerne Fuß fassen in Deutschland"

18.12.2017, 09:10 Uhr
Fall 32:

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Zum Interviewtermin hat er ein paar Fotos und einen Bericht der Fürther Nachrichten mitgebracht. "Geschichten von da und hier" heißt das Projekt des Fürther Stadttheaters, das im Oktober seine Premiere feierte. Flüchtlinge wie Michael waren bei den Proben und später auf der Bühne älteren Menschen begegnet, die ihre eigene, lange zurückliegende Fluchtgeschichte zu erzählen hatten. "Heimat" und "Neuer Anfang" waren für beide Seiten die großen Themen, die singend, spielend und tanzend zu sehen waren.

Für Michael, der seit zwei Jahren in Deutschland lebt, ein Höhepunkt. Schon in Armenien war er neben der Schule als Sänger und Schauspieler aktiv, dass er in Fürth auf der Bühne stehen konnte, habe ihn sehr glücklich gemacht, sagt der 20-Jährige in flüssigem Englisch. Noch immer geht er einmal pro Woche zum Jugendclub des Fürther Stadttheaters — wenigstens eine kleine Ablenkung von dem, was sonst seinen Alltag bestimmt: zu warten.

"Ich möchte so gerne Fuß fassen in Deutschland", sagt Michael, der die Sprache schon relativ gut versteht, allerdings bislang nur wenig selbst sagen kann. Doch diese Chance hat er momentan nicht. Sein erster Asylantrag wurde abgelehnt, derzeit läuft ein Widerspruch. So lange aber werde ihm auch kein Deutschkurs genehmigt, sagt Alexander Stöcker.

Der 49-Jährige hat Michael zufällig kennengelernt und ihn, weil er im Kartenvertrieb arbeitet, an das Theaterprojekt vermittelt. Mittlerweile ist daraus eine Freundschaft gewachsen. "Alexander ist mein Ersatzvater", sagt Michael, der seit zwei Monaten ganz allein in einer Fürther Asylbewerberunterkunft lebt: Seine Mutter musste das Land bereits verlassen.

Sie war mit ihrem schwer kranken Sohn geflüchtet, weil er in Armenien nicht adäquat behandelt werden kann. Michael leidet an der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn. Ein Großteil des Organs musste ihm bereits entfernt werden, starke Medikamente halten die Krankheit einigermaßen in Schach. Doch die Arzneien gebe es in seiner Heimat nicht, sagt der schmale junge Mann. "In Armenien haben mir die Ärzte gesagt, ich könne nur beten. Deutschland hat mir das Leben gerettet." Dafür sei er sehr dankbar.

Trotzdem habe sein Schützling manchmal depressive Phasen, so Stöcker. "Ich finde es schlimm, dass die Flüchtlinge zwar materiell versorgt werden, sich aber sonst keiner kümmert." Die Tage sind lang in dem kleinen Zimmer im Flüchtlingsheim, das Michael wegen seiner schweren Erkrankung immerhin allein nutzen kann. Doch die Angst, zurück zu müssen, ist sein ständiger Begleiter. "In Armenien werde ich sterben."

Die Hoffnung, in Deutschland vielleicht eine Perspektive zu haben, holt ihn glücklicherweise immer wieder aus Phasen der Verzweiflung heraus. "Meine Träume halten mich am Leben", sagt er. Zu diesen Träumen gehört es auch, möglichst bald für sich selbst sorgen zu können. Ein Deutschkurs wäre der erste Schritt dorthin, doch die hohen Kursgebühren kann er unmöglich von seinem Taschengeld stemmen. Die Weihnachtsaktion möchte deshalb helfen. Auch über (ehrenamtliche) Gesangsstunden würde er sich freuen, um weiter an seinen Fähigkeiten zu arbeiten. Weitere materielle Hilfe brauche er nicht, stellt Michael klar. "Ich will lernen, arbeiten und unabhängig sein."

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