"Finger weg vom Pellerhaus": Architekten starten Initiative

9.3.2019, 05:37 Uhr
"Pro Pellerhaus" wendet sich gegen die Idee, an dem 1957 errichteten Haus am Egidienberg die Fassade auszutauschen und sie aufsehenerregend wie beim Vorgängerbau aus dem Jahr 1607 zu gestalten.

© Michael Matejka "Pro Pellerhaus" wendet sich gegen die Idee, an dem 1957 errichteten Haus am Egidienberg die Fassade auszutauschen und sie aufsehenerregend wie beim Vorgängerbau aus dem Jahr 1607 zu gestalten.

Unter dem Motto "Finger weg vom Pellerhaus" berichtet die Initiative "Pro Pellerhaus" von ihrer Gründung Ende Februar. Darin haben sich Nürnberger Vertreter verschiedener Architektur- und Landschaftspflegeverbände zusammengeschlossen. Zu den
15 Gründungsmitgliedern zählt unter anderem die Stadtheimatpflegerin Claudia Maué und die Architektur-Fakultät der Technischen Hochschule Nürnberg. Initiatoren sind der Verein Baulust und der Bund Deutscher Architekten.

"Pro Pellerhaus" wendet sich gegen die Idee, an dem 1957 errichteten Haus am Egidienberg die Fassade auszutauschen und sie aufsehenerregend wie beim Vorgängerbau aus dem Jahr 1607 zu gestalten. "Wir wollen damit aber nicht speziell den Altstadtfreunden Kontra geben, sondern der Aufbauzeit der 1950er Jahre insgesamt mehr Wertschätzung", sagt Brigitte Sesselmann, Architektin und Sprecherin der Kampagne. Jeder interessierte Bürger könne der Initiative beitreten.


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In ihrem Positionspapier bezeichnen die Architekten das heutige Pellerhaus als herausragendes Beispiel für den gelungenen Wiederaufbau Nürnbergs nach dem Zweiten Weltkrieg. "Ein Abriss würde die Erfahrungswelten zweier Generationen mit Füßen treten." Häuser ließen sich nicht nach Belieben ("anders als im Anker-Steinbaukasten oder Architektur-3D-Programm") austauschen.

Rekonstruktion abgelehnt

Das Papier zitiert Heinz Schmeißner, den Nürnberger Stadtbaumeister von 1949 bis 1970, der das Wiederaufbaukonzept der Altstadt leitete und auf den Sockel des 1945 zerstörten Pellerhauses das moderne Bibliotheksgebäude aufsetzen ließ. Er sprach sich 1950 für den Wiederaufbau "ergänzungsfähiger Ruinen" auf, aber gleichzeitig klar gegen "Surrogate". "Nichts wäre schlimmer, als in die Reihe der echten historischen Bauten Kopien einzuschmuggeln, die auch bei raffiniertester ,Echtmachung‘ stets nur Peinliches an sich haben."

Mit dieser Haltung schließt sich "Pro Pellerhaus" der Stadtverwaltung und dem Nürnberger Baukunstbeirat an. Das Gremium, das Bauherren bei stadtbildprägenden Projekten berät, lehnt eine Rekonstruktion der alten Pellerhaus-Fassade vor allem aus Respekt vor dem Denkmalschutzgesetz ab. "Das Anliegen mag als theoretisch-baukünstlerische Meinungsäußerung legitim erscheinen", heißt es in der Begründung. "Als praktisch diskutierter Vorschlag verrät es eine erstaunliche Missachtung des existierenden, intakten und gut genutzten Baudenkmals." Der Denkmalschutz, der bauliches Erbe vor den Interessen Einzelner bewahre, sei als "eminenter bürgerschaftlicher Erfolg aus der Nachkriegszeit" nicht hoch genug einzuschätzen, stellt der Beirat in seiner Resolution fest.

Wiederaufbau des Innenhofs

Der Innenhof des nach dem Kaufmann Martin Peller (1559–1628) benannten Hauses steht derzeit kurz vor der Fertigstellung. Seit 2008 ließ der Altstadtfreunde-Verein den Hof mit einer Spendeninitiative im Stil der Spätrenaissance wieder erbauen. 2016 meldete sich Vereinschef Karl-Heinz Enderle dann öffentlich mit dem Wunsch, bei der Fassade genauso zu verfahren. Das sanierungsreife Haus gehört der Stadt Nürnberg.

Befürworter führen an, dass es nach der Logik der Rekonstruktionsgegner auch nie zum Wiederaufbau des Nürnberger Rathauses, der zerstörten Teile der Burg und der Altstadtkirchen kommen hätte dürfen. Dem widerspricht Architektin Sesselmann. Man müsse zwischen prominent gelegenen, öffentlichen Baudenkmälern und zwischen einem Bürgerhaus ohne große gemeinnützige Funktion unterscheiden. "Burg, Kirchen und Rathaus sind wichtig für die Identifikation der ganzen Stadtgesellschaft." Das Pellerhaus vor 1945 habe dagegen vor allem repräsentativen Zwecken gedient.


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Einig ist sich "Pro Pellerhaus" aber mit den Rekonstruktionsfreunden, was den Umbaubedarf auf dem übrigen Egidienplatz betrifft. "Der Stadtraum bräuchte an dieser Stelle dringend mehr Beachtung", findet Sesselmann. "Es ist ein Jammer, dass er zum Parkplatz verkommen ist."

Die NZ veranstaltet eine Podiumsdiskussion zur Zukunft des Pellerhauses: am Dienstag, 12. März, 19.30 Uhr, Einlass 19 Uhr, Johannes-Scharrer-Gymnasium, Tetzelgasse 20. Gäste: Daniel Ulrich, Baureferent der Stadt Nürnberg und Karl-Heinz Enderle, Vorsitzender der Altstadtfreunde Nürnberg. Es moderieren die NZ-Chefredakteure Dr. André Fischer und Stephan Sohr. Eintritt zwölf (mit ZAC-Karte: acht) Euro. Karten erhältlich in den Geschäftsstellen Ihrer Zeitung.

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