Fitnessstudio an Bord: So sieht der "Zug der Zukunft" aus

7.11.2017, 17:00 Uhr
Flachbildschirme in den Waggons sind Teil des neuen Bahnkonzepts.

© Horst Linke Flachbildschirme in den Waggons sind Teil des neuen Bahnkonzepts.

Wie die Mobilität der Zukunft aussehen wird, hat Schriftsteller schon vor über hundert Jahren beschäftigt. So werden auch in Jules Vernes Büchern Menschen mit einer Granate auf die "Reise um den Mond" geschossen oder tauchen mit dem elektrisch betriebenen U-Boot "Nautilus" in die Tiefen der Meere. In der Realität hat das Reisen aber nur noch wenig mit einem aufregenden Abenteuer zu tun, besonders für Berufspendler, die sich täglich auf den Weg zur Arbeit und zurück machen müssen. Auf den Straßen herrscht Dauerstau und in den Nahverkehrszügen Enge und Tristess.

Zukunftsvision auf 27 Metern

In Nürnberg präsentiert die Deutsche Bahn nun erstmals einen Gegenentwurf und das begehbare 1:1 Modell eines Doppelstock-Wagens, wie es unkonventioneller nicht sein könnte. Wenige Wochen vor der Eröffnung der neuen Hochgeschwindigkeitstrasse Nürnberg - Berlin und dem 182. Jahrestag der ersten deutschen Dampflok-Fahrt des "Adler" zwischen Nürnberg und Fürth am 7. Dezember 1835 soll in dem 27 Meter langen Waggon gezeigt werden, was in Zukunft auf dem Weg zur Arbeit oder am Ende des Tages alles an Bord möglich sein könnte.

In einem Sportstudio könnten die Pendler die Zeit nutzen, um mit einer Tour auf dem Fitness-Rad den Kreislauf in Schwung zu bringen. Mit einem "Public-Viewing"-Bereich sollen vor allem gesellige Fahrgäste angesprochen werden. Neben großen Bildschirmen und Sitzplätzen gibt es auch breite Tische um zu essen oder zu trinken, während Nachrichten laufen oder ein Fußballspiel im Zug übertragen wird. Das Modul "MyCabin" richtet sich hingegen an Reisende, die gerne ihre Ruhe haben oder vertrauliche Gespräche führen wollen.

Die Glasscheibe vor der Kabine mit Ohrensesseln kann auf Knopfdruck auch milchig gemacht werden, damit andere nicht hineinsehen können. Daneben gibt es etwa auch einen Komfort-Arbeitsbereich mit Arbeitsstationen, Steckdosen und breiten Sitzbänken und ein "Kinderparadies" mit Rutsche und digitalen Spieltischen, das seinen Namen somit auch verdient. Über einen "Online-Supermarkt" können zudem Lebensmittel bestellt werden, die bei der Ankunft noch am Bahnhof abgeholt werden können.

Gegen die Konkurrenz autonomer Autos

Die Ideen zu den insgesamt 22 verbauten Modulen kamen zum Teil von den Kunden selbst. Ein Jahr lang arbeitete dann die pendleraffine Südostbayern-Bahn, DB-Regio, ein Münchner Design-Büro und das DB-eigenen Innovationszentrum "d.lab" an dem Modell, das von einem Augsburger Unternehmen gebaut wurde. Für den Transport in die Nürnberger Arena wurden sechs Sattelschlepper benötigt. Von hier aus soll der futuristische Zug deutschlandweit auf Tour gehen und von Kunden getestet werden. Die Bahn will damit auch herausfinden, wie sie sich gegen autonom fahrende Autos behaupten kann. Denn der Vorteil, im Zug arbeiten, lesen und entspannen zu können, droht verloren zu gehen, wenn der Pkw sich dereinst selber lenken kann. Carsten Hutzler, der Projektleiter im d.lab, hält die tatsächliche Umsetzung eines solchen "Zugs der Zukunft" bereits in einigen Jahren für möglich. Umfragen haben ergeben, dass Reisende auch durchaus bereit wären, für ein solches Angebot an Bord höhere Fahrpreise zu entrichten.

Umsetzung hängt von Ländern ab

Doch wie viele der Module tatsächlich einmal für den Betrieb im Alltag umgesetzt werden, hängt vor allem von den Bundesländern und ihren Besteller-Organisationen ab. In Bayern plant und finanziert etwa die "Bayerische Eisenbahngesellschaft" (BEG) im Auftrag des Freistaats den gesamten Schienen-Personennahverkehr. Bei den Ausschreibungen legt die BEG und nicht etwa die Bahn fest, wie Züge ausgestattet sind, in welchem Takt sie mit welchem Platzangebot fahren. Und hier geht es bislang vor allem darum, möglichst günstig für möglichst viel Sitzkapazität zu sorgen - und davon ist der "Zug der Zukunft" weit entfernt.

Johann Niggl als Geschäftsführer und Sprecher der BEG zeigte sich aber immerhin bei der Präsentation schon einmal angetan vom "Ideenzug". Das Mobilitätsverhalten der Pendler in Deutschland ändere sich rasant, so Niggl. Die Fahrgäste würden sich immer mehr Komfort und Individualität wünschen und ihre Zeit sinnvoll nutzen wollen.

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