Fleisch-Arbeiter kritisieren Bratwurst-Platzhirsche

12.8.2017, 15:05 Uhr
Gewerkschafter protestierten am Samstag am Hallplatz gegen Leiharbeit in der Fleischindustrie.

© Michael Matejka Gewerkschafter protestierten am Samstag am Hallplatz gegen Leiharbeit in der Fleischindustrie.

Sie hausen in dürftigen Unterkünften, werden dafür ordentlich zur Kasse gebeten und schuften, oft im Schichtbetrieb, für Gehälter kaum über dem Mindestlohn: An einer Infotafel dokumentieren Fotos aus einem Wohnheim, unter welchen Bedingungen Werkvertragsarbeiter mitten in Franken leben müssen. Viele seien in osteuropäischen Ländern angeheuert worden – ohne recht zu wissen, worauf sie sich einlassen, erläutert die Nürnberger NGG-Geschäftsführerin Regina Schleser. "Selbst ein Facharbeiter mit Metzgerei-Ausbildung bekommt weniger als zwölf Euro pro Stunde", berichtet ein Betriebsrat.

Ein Dorn im Auge ist den Gewerkschaftern vor allem, dass alle vier großen Nürnberger Bratwurst-Hersteller in unterschiedlichem, aber erheblichem Umfang – die Rede ist von bis zu 40 Prozent – Leute in der Produktion als Leiharbeiter oder mit Werkverträgen beschäftigen – also zu noch schlechteren Bedingungen als für die Stammkräfte. Aber auch für sie gebe es keine Tarifverträge – wie in der gesamten deutschen Fleischwarenindustrie.

Vorbildlich sei dagegen die Situation im Handwerk: Für alle Betriebe der Fleischerinnung, die in der Regel auch die Nürnberger Spezialität herstellen, gilt ein Tarifvertrag. Die Kluft ist beachtlich: Im Durchschnitt verdienen Mitarbeiter in Unternehmen mit Tarifbindung fünf Euro pro Stunde mehr als bei "Tarifflüchtigen". 

Gleicher Schutz für Mensch und Wurst

Dass bei den vier Bratwurst-Platzhirschen HoWe, Schlütter‘s, Wolf und Kupfer kein Tarifvertrag gilt, prangert Schleser als besonders pikant an: "Die Firmen sind ja in der Schutzgemeinschaft Nürnberger Bratwurst zusammengeschlossen. Aber die Menschen haben mindestens den gleichen Schutz verdient wie die Wurst!" In einem Brief an die Schutzgemeinschaft hat die NGG daher bereits vor einigen Wochen die Bildung einer Tarifgemeinschaft angeregt. "Neben Rezeptur, Qualität und Markenbekanntheit der Bratwürste sollten Ihnen auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer/innen am Herzen liegen, die sie Tag für Tag herstellen", heißt es darin. 

Erhebliche Probleme mit Leiharbeit und Werkverträgen gebe es, so die NGG, auch bei verschiedenen Lebkuchenherstellern. Auch dazu plant die Gewerkschaft noch im Herbst eine öffentliche Aktion. Ausdrücklich ausnehmen von der harschen Kritik will die Gewerkschaft die Firma Lebkuchen-Schmidt. "Bei uns herrschen über die Tariftreue hinaus korrekte Bedingungen. Und Werkverträge gibt es gar nicht", versichert ein NGG-Mitglied und Betriebsrat. 

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