Förderung statt Isolation

6.10.2015, 19:52 Uhr
Förderung statt Isolation

© Foto: Roland Fengler

„Schreiben Sie bloß nicht, dass meine Schwester unter dem Down-Syndrom ,leidet‘, den Begriff finde ich ganz furchtbar“, stellt Uta-Maria Siegmann gleich zu Beginn des Gesprächs klar. Die heute 18-Jährige war vier Jahre alt, als ihre Schwester zur Welt kam. „Die ersten Jahre fiel mir gar nichts Ungewöhnliches an Anna-Lena auf.“ Als die ersten Freundinnen bei ihr übernachteten, wunderte sie sich über die Reaktionen der anderen Eltern beim Anblick ihrer Schwester. Noch heute gibt es einige Freundinnen, die befangen sind, wenn sie der 14-Jährigen begegnen.

Doch auch, wenn der Umgang mit Behinderten immer noch nicht selbstverständlich ist, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vieles zum Positiven gewendet. „Wir haben Gesetzestexte aus den 1970ern gelesen, in denen noch alle in einen Topf geworfen wurden, Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung“, sagt Siegmann. Alle seien in die gleiche Verwahranstalt gekommen, „rein und Tür zu“, so Mitstreiterin Alicia Kohl. „Heute werden Menschen entsprechend ihrer Fähigkeiten gefördert. Meine Schwester kann lesen und schreiben“, erzählt Uta-Maria Siegmann.

Die beiden Abiturientinnen vom Johannes-Scharrer-Gymnasium wühlten nicht nur in Archiven. Start ihrer Recherche war ein Interview: Sie sprachen mit Cora Halder, der Geschäftsführerin des Downsyndrom-Infocenters in Lauf a. d. Pegnitz. Ihre Erkenntnisse fassten die beiden jungen Frauen schließlich in einer 55 Seiten langen Power-Point-Präsentation zusammen. Erst auf der letzten Seite thematisieren die beiden, dass die Schwester einer Autorin selbst das Down-Syndrom hat. „Mir war es wichtig, dass wir nicht wegen meiner Schwester gewinnen, sondern weil wir eine gute Arbeit gemacht haben.“ Und das haben sie ganz offensichtlich: Siegmann und Kohl sind die einzigen Preisträgerinnen aus Nürnberg und werden von der Körber-Stiftung mit dem Förderpreis ausgezeichnet.

Die Landespreisverleihung findet heute im Nürnberger Rathaus statt. 13 Landespreise (je 250 Euro) und 13 Förderpreise (je 100 Euro) gehen an Schülerinnen und Schüler aus Bayern. Insgesamt haben sich im Freistaat 446 Jugendliche mit 86 Beiträgen am Geschichtswettbewerb beteiligt.

Tutorin Elke Mahler hat den Geschichtswettbewerb in ein P-Seminar integriert. „Im Rahmen des G8 ist es von den Schülern kaum zu verlangen, dass sie sämtliche Arbeit während der Freizeit machen“, so die Lehrerin. Ein weiterer Vorteil: Selbst die Schüler, die nicht gewinnen, werden für eine gelungene Arbeit belohnt – mit einer guten Note. Doch im kommenden Jahr kann Mahler das Seminar aus organisatorischen Gründen nicht mehr anbieten. „Das finde ich sehr schade. Die Teilnahme am Wettbewerb bringt den Jugendlichen viel: Sie lernen sowohl Teamwork als auch wissenschaftliches Arbeiten.“ Die 44-Jährige hofft, dass sich trotzdem einige Schüler finden, die für das zusätzliche Engagement bereit sind.

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