Friseur Georg Pirner: "Mein erster Lehrling war Peter Althof"

25.12.2016, 14:45 Uhr
Friseur Georg Pirner:

© Foto: Edgar Pfrogner

Herr Pirner, wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?

Pirner:1956 kam in meine achte Klasse ein Friseurmeister und hat gefragt, wer denn gerne Friseur werden möchte – und da habe ich mich gemeldet.

So einfach geht’s?

Pirner:Ja. Meine Eltern und sämtliche Verwandten waren bei der Firma Diehl beschäftigt. Mein Vater wollte eigentlich auch, dass ich zu Diehl gehe. Aber dann hat am Nachmittag mein Meister angerufen und gesagt: "Ich würde ihn nehmen." Und so bin ich Friseur geworden. Damals war ich gerade noch 13 Jahre alt.

War der Wunsch, Friseur zu werden, vorher überhaupt vorhanden?

Pirner: Es hat einfach Klick gemacht. Es ist ja auch ein nachwachsendes Gewerbe (lacht).

Sehen Sie sich als Friseur auch in der Rolle eines Psychologen?

Pirner:Ja, eigentlich schon. 60 Jahre sind eine lange Zeit. Da kriegt man doch das eine oder andere mit. Ich habe ja Kunden – und da bin ich stolz drauf –, die mir über 50 Jahre die Treue halten. Die sind alle mitgegangen, seit ich vor 45 Jahren hierher bin.

Sie sind für viele Ihrer Kunden also längst eine Vertrauensperson.

Pirner: In unserem Beruf bist du ja nicht nur Friseur, du bist ja mehr Psychiater. Was die Kunden dir da anvertrauen — und dann feststellen: "Allmächd, hab ich Ihnen das jetzt wirklich gesagt?" Sie wissen, dass es bei mir gut aufgehoben ist. Das bespreche ich auch nicht mit meiner Frau.

Wie oft haben Sie jemandem schon ins Ohr geschnitten?

Pirner: Im zweiten Lehrjahr schneide ich einem Kunden die rechte Seite, komme vom Kamm runter und schneide ihm am rechten Auge eine Lachfalte weg. Die ist runtergefallen, aber kein Tropfen Blut. Dann hat sich der Kunde das genauer angeschaut und gesagt: "Jetzt kannst du die auf der anderen Seite auch wegschneiden."

Was macht Ihren Job so besonders?

Pirner: Der Friseurberuf ist einer der wenigen Berufe, bei denen man die Intimblase durchbricht. Ich fasse den Kunden ja an. Es gibt noch Ärzte, aber ansonsten nicht allzu viele Berufe, bei denen man Kunden anfasst. Da ist auch ein ganz anderer Kontakt da.

Ist Friseur für Sie ein Traumberuf?

Pirner: Wenn ich könnte, würde ich wieder Friseur werden. Meine Frau ist auch so eine Verrückte. Mit 71 Jahren geht sie noch auf Schulung, um die neuesten Trends zu erfahren. Bei uns kommt das Geschäft, dann das Geschäft und dann das Geschäft und dann noch ein bisschen was anderes.

Wird es daheim nicht langweilig?

Pirner: Nein, zu Hause reden wir gar nicht so viel über das Geschäft. Wir schalten oft den Fernseher aus und quatschen. Ich habe den Eindruck: Viele jüngere Leute haben sich eigentlich gar nichts mehr zu sagen.

Wohin schauen Sie bei Menschen zuerst? Geht Ihr Blick sofort zur Frisur?

Pirner: Ich schaue Menschen immer in die Augen. Viele können das nicht und schauen in der Gegend herum. Augenkontakt gehört für mich dazu.

Wie hat sich das Geschäft über die Jahrzehnte verändert?

Pirner: Es wird immer schwieriger. Als ich 1971 angefangen habe, gab es im Umkreis von 500 Metern drei Friseurgeschäfte. Mittlerweile sind so 19, 20 hier. Schwächeln darfst du nicht, sonst bist du ganz schnell weg. Aber ich habe – das ist unser großes Plus – 70 bis 80 Prozent Stammkunden.

Fangen Sie mit jedem Kunden ein Gespräch an?

Pirner: Man muss im Gefühl haben, ob ein Kunde reden oder seine Ruhe haben will. Manche kommen seit 15 Jahren und sagen: "Guten Tag, Herr Pirner!" "Darf es sein wie immer?" "Einen schönen Tag noch!" Ich habe aber gemerkt: Jeder Mensch hat irgendein Thema, auf das er anspringt.

Wie haben sich die Preise in all den Jahren verändert?

Pirner: Als ich damals angefangen habe, hat das Haareschneiden 1,20 Mark gekostet und das Rasieren 80 Pfennig. Es gab ein oder zwei Pfennig Trinkgeld. Ein Fünferle hast du schon in der Hosentasche gemerkt, weil es schwerer war. Daran sieht man schon, was sich in unserem Beruf geändert hat.

Sind die Frisuren deutlich anspruchsvoller geworden?

Pirner: Ja sicher. Als lange Haare angesagt waren, haben wir ein gutes Geschäft gemacht. Manchen musstest du nur die Spitzen schneiden. Da hat mein alter Lehrmeister gesagt: "Das ist doch kein Haarschneiden mehr." Aber der Kunde ist König. Auch wenn es mir zweimal nicht gefällt: Wenn es ihm gefällt und er zufrieden ist, bin ich es auch.

Sie müssen sehr viel stehen: Wie stark ist die körperliche Belastung?

Pirner: Ich spiele Golf und bewege mich viel. Aber ich muss jetzt wirklich mal den Schrittzähler anschalten. 8000 bis 10.000 Schritte dürften das schon sein am Tag. Ich habe aber keine Probleme mit dem Rücken.

Sie gelten als leidenschaftlicher Porsche-Fahrer ...

Pirner: Ja, das jetzt ist der zweite, den ich habe. Vor 15 Jahren habe ich mir meinen Traum erfüllt und einen gebrauchten Porsche gekauft, einen roten 911 Carrera. Den wenn ich behalten hätte: Solche Modelle sind heute 80.000, 90.000 Euro wert. Damals hat er 30.000 Mark gekostet.

Was ist Ihnen aus Ihrer Anfangszeit besonders in Erinnerung geblieben?

Pirner: Mein erster Lehrling war Peter Althof. Er wollte immer samstags freihaben, damit er zum Taekwondo konnte. Dann habe ich ihm gesagt: "Peter, wir arbeiten samstags!" Er hat oft hinten im Laden trainiert. Aber er hat hier gelernt und seine Gesellenprüfung gemacht.

Wie lange wollen Sie Ihren Beruf noch ausüben?

Pirner: Das werde ich öfter gefragt. Mittlerweile habe ich eine passende Antwort gefunden: Bis 80 – und danach arbeite ich nur noch halbtags!

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