Frust bei Helfern: Ehrenamtliche sind sauer auf Politik

24.4.2018, 12:31 Uhr
"Es wird zu viel über uns geredet statt mit uns", sagt Nawid Zandi vom Verein Refugees Nürnberg, Stabsstelle bürgerschaftliches Engagement.

© Foto: Iannicelli/ "Es wird zu viel über uns geredet statt mit uns", sagt Nawid Zandi vom Verein Refugees Nürnberg, Stabsstelle bürgerschaftliches Engagement.

Es gebe viele Projekte und viele Helfer, das sei großartig und Grund zu großer Dankbarkeit, sagte Nawid Zandi vom Verein Refugees Nürnberg. Und doch werde, bedauerte er, noch "zu viel über uns geredet statt mit uns".

An der Sprache kann das zumindest in seinem Fall kaum liegen. Der 23-Jährige, der vor drei Jahren aus dem Iran nach Nürnberg kam, hat schon sehr gut Deutsch gelernt und würde am liebsten Informatik studieren – was er in seiner Heimat schon begonnen hatte. Aber mangels Anerkennung wird ihm bisher sowohl eine Arbeitsaufnahme wie der Zugang zur Hochschule verwehrt.

"Leider bekommen wir kaum die Chance, selbst etwas anzubieten oder zu entscheiden", so Zandi. Nicht nur in Ämtern oder allgemein in der Gesellschaft, sondern selbst im Kontakt mit Ehrenamtlichen hätten viele Geflüchtete nicht das Gefühl, "auf Augenhöhe" angenommen zu werden. Sein Appell: "Wie Integration funktioniert und was wir erwarten, dazu haben wir etwas zu sagen. Also denkt bitte an uns und redet mit uns."

Unter dem Motto "Integration vernetzt" hatte neben der Perspektive der Geflüchteten in Workshops und Gesprächsrunden natürlich auch die der Helferinnen und Helfer ihren Platz. Immerhin bestehen nach einer Übersicht der Stabsstelle für bürgerschaftliches Engagement im Rathaus aktuell noch 30 Helferkreise, mehr als 2000 Freiwillige sind "kontinuierlich tätig", weitere 2200 auf Abruf bereit. Jeder vierte hat selbst Migrations-, jeder zehnte Fluchterfahrung aus jüngerer Zeit.

Nur noch ein Drittel aktiv

Und doch hat sich verschiedentlich Katerstimmung breitgemacht. In Eibach zum Beispiel ist von einst mehr als 100 Freiwilligen noch gut ein Drittel aktiv. "Immerhin", freut sich Sprecherin Renate Hacker, "aber es ist schwer, neue zu finden und zu motivieren." Der Grund liegt auf der Hand: Der bedrückende Stimmungswandel im Land und die Erfahrung, dass den Menschen von offizieller Seite das Leben schwer gemacht wird, wo es nur geht.

"Es gibt Frust auf allen Seiten, es fehlt einfach ein positive Ausblick", so Hacker, "vor allem die Leute mit schlechter Bleibeperspektive werden einfach hängengelassen". Dabei werde alles angesichts des Landtagswahlkampfs noch schlimmer werden, fürchtet die Helferkreismitbegründerin. "Aber wir bleiben dran. Schließlich geht es nicht allein um die, die zu uns gekommen sind, sondern um den ganzen Stadtteil."

Viel mehr Gastarbeiter als Flüchtlinge

Dabei sei die Aufgabe, Zuwanderer zu integrieren, alles andere als neu, stellte Oberbürgermeister Ulrich Maly klar. Und die früheren "Wellen", vor der Aufnahme von "Gastarbeitern" bis zu der von Aussiedlern und Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion, seien deutlich größer gewesen als der jüngste Zustrom seit 2015.

Aktuell leben in den knapp 170 staatlichen und städtischen Gemeinschaftsunterkünften in Nürnberg knapp 7200 Frauen, Männer und Kinder. "Allerdings zog in den 60er und 70er Jahren vor allem das betriebswirtschaftliche Argument", rief der OB in Erinnerung, "es ging ja um Arbeit. Und die ‚Seelenlandschaft‘ war anders." Trotzdem könne gerade Nürnberg auf lange Erfahrungen zurückgreifen: Schon früh gab es mit einem Ausländerbeirat einen Ansatz, Betroffene zu Beteiligten zu machen, und spezielle Kulturprogramme.

Keine Angst vor Vielfalt

Davon ausgehend werden gerade die städtischen Leitlinien zur Integrationsarbeit überarbeitet. Allerdings könne die Kommune die Folgen schlechter Gesetzgebung kaum auffangen oder ausbügeln. "Was uns quält, sind die in Hinterzimmern ausgearbeiteten sogenannten Mondscheingesetze, die jeweils spätabends durchs Parlament gebracht wurden", klagte Maly und nannte als Beispiel die restriktiven Bestimmungen zur Arbeits- und Ausbildungsaufnahme.

Neben der "Hardware" der Paragrafen gehe es freilich auch um die "Software", also Haltungen - und ganz konkret den Abbau der Angst vor einer Vielfalt, für die in Nürnberg fast die Hälfte der Bevölkerung steht. "Im politischen Engagement", so die nachdrückliche Bitte des OB, "dürfen wir nicht nachlassen."

Dass sich auch etwas zum Besseren entwickelt habe, sei beispielsweise bei der Arbeitsverwaltung zu erkennen, meinte der SPD-Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen. "Früher hielten es die Arbeitsvermittler nicht einmal für nötig, freundlich zu sein. Heute begleiten sie manche Bewerber sogar zu den Arbeitgebern." Dennoch seien es die Ehrenamtlichen, die oft "die Kohlen aus dem Feuer holen", während die Politik nötige Schritte für mehr Integration vermissen lasse.

Ergebnisse Ende Juni

Vorschläge und Förderung trägt aktuell eine Enquete-Kommission im Maximilianeum zusammen, der auch Tasdelen angehört. Die Ergebnisse sollen Ende Juni präsentiert werden, allerdings ist absehbar, dass die CSU-Mehrheit wieder vor allem auf die Bremse tritt.

"Wir aber treten dafür ein, dass jeder, der kommt, mindestens die Sprache lernen soll und schnell eine Arbeit aufnehmen darf, wenn er eine findet - unabhängig von der Bleibeperspektive", sagte der Nürnberger Politiker. "Denn Integration vom ersten Tag an hilft auch der Mehrheitsgesellschaft. Und es ist die beste Entwicklungspolitik, wenn Menschen eines Tages zurückgehen wollen oder müssen."

Einem Wunsch von Bürgermeistern und Landräten quer durch den Freistaat entsprechend, machen sich Tasdelen und seine Mitstreiter in der Kommission auch für ein Budget stark, das Kommunen für Integrationsmaßnahmen abrufen können – "und zwar unbürokratisch".

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