Für Abwechslung ist stets gesorgt

6.5.2014, 10:30 Uhr
Für Abwechslung ist stets gesorgt

© Roland Fengler

Der geräumige Wohnwagen ist mit allem ausgestattet, was man auch in der eigenen Wohnung nicht missen möchte. Auf dem Tisch stehen Blumen, es brennt eine Duftkerze. Gemütlich müsse es schon sein, sagt Kurt Grauberger. Verständlich — immerhin leben er und Freundin Ana die Hälfte des Jahres in der „Ersatzwohnung“. Von April bis Oktober sind sie auf bayerischen Festplätzen unterwegs. Die beiden sitzen auf der kleinen Eckbank, genießen die letzte halbe Stunde der seltenen Zweisamkeit. Um 13 Uhr öffnet das Nürnberger Volksfest heute seine Türen — und für Kurt Grauberger und seine Familie beginnt das Tagesgeschäft.

Ausschlafen aber ist nicht drin, auch heute nicht. Grauberger hat den Getränkevorrat in der „Alten Bierhüttn“ — seinem Ausschank — überprüft und aufgefüllt, auf der anderen Seite des Volksfestplatzes musste der tägliche Sicherheitscheck und die Probefahrt mit den Oldtimern im Kinderverkehrsgarten erledigt werden. Auch der Gyros-Spieß in der Imbissbude brutzelt schon. „Langweilig wird es uns nicht“, sagt der 31-Jährige.

...oder er steht am Zapfhahn...

...oder er steht am Zapfhahn... © Roland Fengler

Es klopft an der Wohnwagentür. Graubergers Mutter steckt den Kopf herein, fragt etwas — und ist wieder weg. „Ja, Privatsphäre ist schwierig“, lacht er, „so ist das in einem Familienbetrieb.“ Er kenne es nicht anders. Drei Tage nachdem Kurt Grauberger das Licht der Welt erblickt hatte, stand sein Kinderwagen neben der Mandelbude seiner Eltern, beschützt vom Schäferhund der Familie. Als er etwas größer war, lag er unterhalb der Theke auf den Mandelsäcken und hat geschlafen, während über ihm die Süßigkeiten verkauft wurden. „Wenn man das hört, ist es vielleicht schwer zu verstehen, warum man nichts anderes machen will“, sagt der Schausteller. Aber außer Fußballprofi oder Rockstar kam für ihn nie ein anderer Beruf infrage, scherzt er.

Kurz vor 13 Uhr, Zeit, um Falschparkern die Parkkralle anzulegen. Grauberger ist seit sieben Jahren im Vorstand des Süddeutschen Schaustellerverbandes und dort unter anderem dafür zuständig, Parksündern eine Lektion zu erteilen. „Es kommt zu oft vor, dass Autofahrer ohne Berechtigung auf den Schaustellerparkplätzen stehen.“ Die Parkkralle sei keine böswillige Rache, sondern notwendig, um die Besucher auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen, sagt er. „Wenn wir beispielsweise unsere Waren anliefern, ist es ärgerlich, wenn wir keinen Stellplatz finden“, erklärt er.

...oder kassiert den Eintritt zum Veteranenclub.

...oder kassiert den Eintritt zum Veteranenclub. © Roland Fengler

Doch der Schausteller ist nicht nur Falschparkern auf der Spur — er ist auch Bildungsbeauftragter beim Verband und organisiert für Schaustellerkinder Plätze in den umliegenden Schulen. Außerdem stellt der Verband ein „Mobiles Klassenzimmer“, in dem nach der regulären Schulzeit die Hausaufgaben gemacht und Wissenslücken gefüllt werden. „Früher sind Schaustellerkinder durch ständige Schulwechsel oft auf der Strecke geblieben“, meint er. Deshalb sei ihm das ein großes Anliegen.

Zurück in der „Alten Bierhüttn“: Die Tische hinter der Hütte sind bereits bis auf den letzten Platz besetzt. Seine Angestellten kommen aber noch ohne ihn zurecht und deshalb macht er sich nochmals auf den Weg zum Verkehrsgarten, um dort nach dem Rechten zu sehen. „Solange es so ruhig ist, schaue ich einfach, dass überall alles passt oder ob jemand kurz Pause machen möchte.“

Für ein paar Minuten übernimmt er die Kasse und verkauft Fahrchips. Die Oldtimer seien etwas Besonderes, sagt er. Großeltern, die vor 50 Jahren selbst schon ihre Runden gedreht hatten, kommen mittlerweile mit ihren Enkeln vorbei. Auch Grauberger wird der Faszination nicht müde. „Jeden Morgen, wenn ich aufsperre, stelle ich fest, wie verliebt ich in das alles hier immer noch bin.“

Zuständig für Themenabend

Viel Zeit, um in eigenen Erinnerungen zu schwelgen, bleibt nicht: Ein Themenabend steht an, auch dafür ist Kurt Grauberger mitverantwortlich. Blaue Luftballons müssen aufgehängt und blaue Lämpchen in die Fassungen geschraubt werden. Zwischendurch geht der Blick immer mal wieder auf das Handy — sein Vater ist mit dem Aufbau des Nürnberger Stadtstrandes beschäftigt und könnte seine Hilfe brauchen. Aus einer Pause wird erst mal nichts.

Und wie sich gegen halb sechs Uhr herausstellt, ist alles bisher nur die Ruhe vor dem Sturm: Nach Abpfiff der Partie 1. FC Nürnberg gegen Hannover 96 wird es richtig hektisch. Kurt Grauberger verbringt die verbleibenden Stunden hinter dem Zapfhahn in der „Alten Bierhüttn“. Anschließend aber gönnt er sich noch einen Schlummertrunk mit befreundeten Schaustellern. Doch auch nach einem stressigen Abend findet er nichts Schlechtes an seinem Beruf. „Viele Menschen könnten sich sicher niemals vorstellen, ein Schaustellerleben zu führen. Andersrum kann ich mir aber keinen Beruf vorstellen, für den ich das hier aufgeben würde“, sagt er.
 

Verwandte Themen


Keine Kommentare