Für ein bisschen Taschengeld

31.5.2016, 10:19 Uhr
Für ein bisschen Taschengeld

© Foto: Wolfgang Zink

Auch ein großer Name schützt nicht vor Bestrafung. Nicht einmal in den Untiefen des Fußballs, in der A-Klasse 8, wo Kampf und unbedingter Wille meist wichtiger sind als feine Technik. 80 Minuten waren zwischen dem SSV Elektra und dem DJK BFC gespielt, als Engin Kalender rotsah – in vielerlei Hinsicht.

Zunächst sah Kalender ein rotes Trikot, er sah es heranrauschen, ziemlich rustikal sogar. „Das hätte Rot sein müssen“, sagte er kurz darauf, „der hätte auch meine Kniescheibe treffen können.“ Doch rot sah wie gesagt nur Engin Kalender, wütend war er, sehr wütend, packte seinen armen Gegenspieler am Nacken und warf ihn zu Boden. Und dann sah der 31-Jährige, für den das Prädikat Wandervogel wohl einst erfunden wurde, ein drittes Mal rot: Platzverweis.

Welche Stellung Engin Kalender beim SSV Elektra hat, wurde anschließend deutlich. Als der Sünder vom Platz trabte, da brandete Jubel auf, die vielen Menschen auf dem Sportplatz am Pegnitzgrund feierten ihn wie einen Helden. Als einen solchen haben sie ihn zwar nicht geholt in der Winterpause, wohl aber, um ihrer Mannschaft weitere Stabilität zu verleihen. Einer Mannschaft, die im vergangenen Jahr den Aufstieg in die Kreisklasse erst in der Relegation verpasste und nun endlich nach oben will.

Ein Jahr hatte Engin Kalender nicht mehr Fußball gespielt, seine letzte größere Station war der türkische Zweitligist Kahramanmaras aus Anatolien, „da sind wir aber abgestiegen und es gab Probleme mit dem Gehalt, wir waren auch vor Gericht“.

Dimitrios Kesaris, ein findiger Geschäftsmann und Gönner des SSV Elektra, sprach seinen Kumpel an, „er hat mich gebeten, dem Verein zu helfen“. Über Geld spricht man beim Klub nicht gerne, aber wenn ein Mann vom Format Engin Kalender in die A-Klasse kommt, tut er das sicherlich nicht aus reinem Spaß am Fußball, auch wenn er genau das betont. „A bissla Taschengeld als Dankeschön“ habe er bekommen, sagt er und grinst, der Frust über den Platzverweis ist da längst verflogen.

Grund zur Freude hatten sie zuvor ja auch genug. Fünf Punkte betrug vor dem Spiel der Vorsprung auf den Zweiten, die DJK BFC, die fußballerisch ebenfalls aus der A-Klasse herausstechen. Das Problem: Der SSV Elektra tut es noch viel mehr. Und so lief der Ball für diese Liga ungewohnt flüssig über den Rasen, zur Halbzeit führte Hellas mit 3:0.

Hellas? Der 2011 gegründete FC Hellas schloss sich dem SSV an, stellte zunächst eine Mannschaft, inzwischen spielen fast nur noch Griechen für den Verein. FC Hellas steht auf den Trikots, die Spieler sprechen nur von Hellas, auf dem Grill kommen neben Bratwürsten köstliche Souvlaki. Nur der Verband, der führt sie formal als SSV Elektra.

Und dieser SSV Elektra hat nun gute Karten, fortan in der Kreisklasse zu spielen, mittelfristig wollen sie in die Bezirksliga. Auch wenn Engin Kalender und seine Kollegen nach der Pause einige Gänge zurückschalteten, fielen noch zwei weitere Tore — zweimal traf: Engin Kalender, es waren seine Tore 20 und 21, in sieben Spielen wohlgemerkt. Zwei Spiele verbleiben, einen Punkt brauchen sie noch, um den Aufstieg auch rechnerisch festzumachen. Ob Rotsünder Engin Kalender noch einmal dabei sein darf, bleibt offen.

Ob er auch weiter für den SSV Elektra spielt ebenfalls. Wohl fühle er sich, „ich kann hier mit dem Fahrrad zum Training fahren“. Andererseits will er sich schon bald mit einer Sportsbar selbstständig machen, erzählt er. Selbstvertrauen hat er außerdem genug, um nicht den Rest seines Fußballerlebens in der A- und Kreisklasse zu verbringen. „Ich bin offen für alles“, sagt er, „drei bis vier Jahre auf höherem Niveau traue ich mir schon noch zu.“ Sehr schön sei es in der Türkei gewesen, womöglich klingelt schon bald wieder das Telefon und jemand will Engin Kalender verpflichten. „Das ist im Ausland oft alles sehr spontan, ich wäre in der Winterpause auch fast in der ersten Liga im Kosovo gelandet.“

Aber eben nur fast, jetzt ist er einer der Führungsspieler eines A-Klassisten. Oder sollte es sein: „Wir wussten, dass er ein schwieriger Charakter ist“, sagt Trainer Theodoros Gitsas, „um ein Team zu führen, braucht es letztlich mehr Cleverness, die Rote Karte heute beispielsweise trübt seine Leistung.“ Eigentlich sollte Kalender menschlich und spielerisch mit gutem Beispiel vorangehen, den Takt vorgeben. Aber, seufzt Gitsas, „wenn er das mit 31 Jahren noch nicht eingesehen hat“

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