Für Ernstfall gewappnet: Wenn in Nürnberg das Licht ausgeht

14.10.2017, 05:36 Uhr
Normalerweise ist Nürnberg auch bei Nacht hell beleuchtet - doch was passiert, wenn auf einmal das Licht ausgeht?

© Roland Fengler Normalerweise ist Nürnberg auch bei Nacht hell beleuchtet - doch was passiert, wenn auf einmal das Licht ausgeht?

Für Unternehmen ist es der Alptraum: Ein von Kriminellen eingeschleuster Computer-Virus oder Trojaner legt alle Rechner lahm. Nichts geht mehr, bis der Schaden aufwendig behoben oder das geforderte Lösegeld bezahlt ist. 82.649 Cybercrime-Fälle zählt das Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt für 2016, rund 80 Prozent mehr als im Vorjahr.

Dabei entstand ein Schaden von rund 51,6 Millionen Euro. Und es geht weiter: Die "Wanna Cry"-Attacke vor knapp fünf Monaten war der bislang größte internationale Angriff mit einer Erpresser-Software. Während in Deutschland "nur" die Anzeigentafeln der Bahn nicht mehr funktionierten, waren in Großbritannien Krankenhaus-Computer betroffen, der Klinikbetrieb kam praktisch zum Erliegen. Fälle wie dieser zeigen, wie angreifbar die Welt bereits heute ist und mit der fortschreitenden Digitalisierung wird.

Experten wie Volker Skrok treibt dabei auch die Frage um, was passieren würde, wenn sich Hacker–Angriffe gegen kritische Infrastrukturen richten und beispielsweise das komplette Stromnetz einer Großstadt wie Nürnberg oder ganzer Landesteile für Tage und Wochen ausfallen würde. "Dabei muss ja gar nicht Terror die Ursache sein", sagt der Leiter der Nürnberger Berufsfeuerwehr. Auch Naturkatastrophen, technisches oder menschliches Versagen können unter Umständen dazu führen, dass der Strom als Lebenselixier unserer Zivilisation über einen längeren Zeitraum einfach weg ist und nichts mehr funktioniert, vom Telefon über das Handy und Internet über die Heizung, Toilettenspülung bis hin zu Geldautomat, Kühlregal im Supermarkt und Zapfsäule.

Vor eineinhalb Jahren ist Skrok mit einem solchen Szenario an die Stadtspitze herangetreten — und hat dort nicht für mitleidiges Lächeln, sondern für Nachdenklichkeit gesorgt. "Unsere Energieversorger sind wirklich hervorragend vorbereitet. Aber der Teufel steckt im Detail", sagt Skrok. Und Bürgermeister Christian Vogel hat von einem entsprechenden Informationsbesuch in der Hauptstadt immer noch den Satz des Chefs der Berliner Berufsfeuerwehr im Ohr: Wir wissen nicht, wann so etwas passieren wird. Aber es wird einmal passieren.

Konkretes Risiko

"Dabei geht es keinesfalls darum, Panik zu schüren", sagt Vogel. Aber eine Stadt wie Nürnberg müsse sich bewusstmachen, wie in einem solchen Katastrophenfall das öffentliche Leben weiter funktionieren und Chaos verhindert werden kann. Dass die Sorge vor einem auch von außen provozierten Blackout nicht nur rein abstrakt ist, zeigte sich auch im August 2016, als Bundesinnenminister Thomas de Maizière sein neues Zivilschutzkonzept präsentierte. Dabei riet er der Bevölkerung ausdrücklich, sich auf lang anhaltende, "von Gruppen oder Staaten" provozierte Stromausfälle vorzubereiten. 

In vielen Kommunen laufen die Vorbereitungen für einen solchen "Tag X", allerdings mit sehr unterschiedlichem Tempo. Laut Vogel und Skrok sind Städte wie Berlin und Hannover Vorreiter und bereits sehr weit. In Nürnberg befinde man sich in einer frühen Phase und klopft aktuell Frage um Frage ab: Wie können die Mitarbeiter der Stadtverwaltung erreicht werden, wenn der Strom fehlt? Wie kann nach außen kommuniziert werden? Wie lassen sich Dialysepatienten versorgen? Wie könnte die Versorgung der Bevölkerung organisiert werden, wenn die Supermärkte leer sind?

Wie kann der Landwirtschaft geholfen werden, wo keine Melkmaschine, keine Kühlung für geschlachtete Tiere mehr funktioniert? Wie erreichen Notrufe eigentlich die Leitstellen? Wie sind die Kliniken darauf vorbereitet, einerseits mit einem Patientenansturm fertig werden zu müssen, gleichzeitig aber nur für eine begrenzte Zeit Diesel für den Notstrom zu haben?

Mit jeder Frage tauchen zehn neue auf, werden die Herausforderungen für Stadt, Behörden und Einsatzkräfte immer komplexer. Klar ist jetzt schon, dass man in einem solchen Fall in Nürnberg "Leuchttürme" für die Information der Einwohner schaffen würde, etwa über die Einbeziehung der Bürgerämter in den Stadtteilen. Die neue Feuerwache 1 wird zwei Tanks für jeweils 40.000 Liter Diesel bekommen, damit die Stadt im Notfall nicht sofort auf Hilfe von außen angewiesen ist. Kommt irgendwann einmal eine neue Sör-Zentrale, soll auch hier ein Diesel-Nottank angelegt werden.

Maßnahmen kosten Geld

Bei der Wasserversorgung ist Nürnberg laut Vogel in der "glücklichen Lage", dass hier in der Regel natürliches Gefälle für genug Druck in der Leitung sorgt und kaum elektrisch betriebene Hebewerke nötig sind. Beim Versorger N-Ergie beschäftigen sich Fachleute mit der Frage, wie sich eine kleine Insel in der Stadt schaffen lässt, in der die Stromversorgung in jedem Fall gesichert bleibt. Noch laufen diese Vorbereitungen alle im Hintergrund. Doch irgendwann in den nächsten zwei oder drei Jahren wird laut Vogel auch öffentlich die Diskussion über die Tatsache geführt werden müssen, dass die Maßnahmen "Geld und Ressourcen kosten". Mit dem Blick auf klamme Kassen das Risiko einfach zu ignorieren, sei aber keine Lösung. "Auch wenn man am Ende hofft, dass alle Vorbereitungen umsonst sind", so Vogel. 

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