Gerichtsvollzieher bedroht: Schusswaffe hat ein Nachspiel

25.5.2018, 05:54 Uhr
Ein Großaufgebot der Polizei sperrte im Herbst 2017 einen Teil von Gibitzenhof ab. Ein Gerichtsvollzieher war zuvor in einer Wohnung in der Charlottenstraße mit einer Schusswaffe empfangen worden.

© NEWS5/Grundmann Ein Großaufgebot der Polizei sperrte im Herbst 2017 einen Teil von Gibitzenhof ab. Ein Gerichtsvollzieher war zuvor in einer Wohnung in der Charlottenstraße mit einer Schusswaffe empfangen worden.

Justizbeamte, die Zwangsvollstreckungen erledigen, werden nicht immer mit offenen Armen von den Schuldnern empfangen. Das, was Paul W. (Name geändert) am 26. Oktober 2017 erlebte, war für den erfahrenen Gerichtsvollzieher aber nach eigenen Worten der schlimmste Vorfall, den er in seiner Laufbahn erlebt hat: "Dass mich jemand mit einer Schusswaffe bedroht, ist mir bisher noch nie passiert", sagt der Justizbeamte vor der 13. Strafkammer des Landgerichts.

Paul W. stand an jenem Oktobermorgen mit zwei Möbelpackern einer Spedition vor der Wohnung von Klaus E. (Name geändert). Die WBG hatte einen gerichtlichen Räumungsbeschluss erwirkt, diesen sollte er umsetzen. Zuvor habe er den Mann, der wegen Mietschulden von der Wohnungsgesellschaft gekündigt worden war, schriftlich über die anstehende Räumung informiert.

"Hier ist der Gerichtsvollzieher", habe er mehrfach gerufen, geklingelt und geklopft. Als E. die Türe einen Spalt öffnete, habe er seinen Dienstausweis gezeigt und einer der Möbelpacker habe seinen Fuß in den Türspalt gestellt. "Verschwindet", habe der Schuldner mehrfach gesagt, dann sei er zurück in die Wohnung. Kurz darauf sei er mit einer Pistole wieder aufgetaucht.

Paul W. und seine beiden Helfer zogen sich sofort zurück, schlossen die Türe und informierten die Polizei. Diese rückte mit dem Spezialeinsatzkommando (SEK) an. Die Einsatzkräfte verhandelten mit dem 57-jährigen Mieter, er ließ sich gut eine Stunde später widerstandslos festnehmen. Die Beamten stellten eine Gaspistole in der Wohnung sicher. Ein Waffenexperte der Polizei sagte gestern vor Gericht aus, dass man damit durchaus schwere oder gar tödliche Verletzungen verursachen kann.

Gerichtsvollzieher hat Vorfall verdrängt

Der Gerichtsvollzieher stand eine ganze Weile unter dem Eindruck des Vorfalls. Und auch seine Kollegen diskutierten darüber, ob man künftig nur noch mit schusssicherer Weste oder einer Polizeistreife zu Terminen gehen sollte. "Mittlerweile habe ich es verdrängt. Ich könnte ja sonst meinen Job nicht mehr machen", sagt Paul W.

Klaus E. sitzt seit dem 26. Oktober 2017 in Untersuchungshaft. Der mittlerweile 58-Jährige streitet nicht ab, die Waffe gezogen zu haben. Er erzählte gestern vor Gericht ruhig und mit leicht fränkischem Zungenschlag seinen Eindruck von dem Vorfall: Der gelernte Elektromaschinen-Monteur wurde vor Jahren arbeitslos und depressiv. Seitdem lebt er von Ersparnissen, Gelegenheitsjobs und einer kleinen Erbschaft. 2015 sei das Geld auf seinem Girokonto aufgebraucht gewesen. Er habe versäumt, rechtzeitig Mittel aus seiner Erbschaft auf das Konto zu transferieren, so E.

Die WBG konnte daraufhin drei Monatsmieten nicht abbuchen und schickte ihm die Kündigung für seine Ein-Zimmer-Wohnung, die er seit 20 Jahren bewohnte. Er habe das Problem im Mieterbüro besprochen. Ein Mitarbeiter habe ihm versichert, dass die Kündigung gegenstandslos ist, wenn er die Außenstände begleicht und zukünftig sein Konto gedeckt ist.

Weitere Mahnschreiben habe er nicht bekommen, versichert der Angeklagte. Er sei deshalb völlig überrumpelt gewesen, als ihn der Gerichtsvollzieher an jenem Herbstmorgen aus dem Bett klingelte. "Ich habe mich schon im Winter unter der Brücke schlafen sehen. Ich hatte einen Blackout", sagt der 58-Jährige, der beteuert, wie leid es ihm tut, die Waffe gezogen zu haben. Er habe allerdings nicht direkt auf die Männer gezielt, nur im Türspalt mit dem Gegenstand herumgewedelt, sagt Klaus E.

Folgt man den Ausführungen des Angeklagten, führte ein Buchhaltungsfehler zu der Räumung — und letztendlich zu der Eskalation. Ob das so ist, soll der Prozess wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte klären. An einem zweiten Verhandlungstag werden deshalb weitere Zeugen vernommen. Weiterhin soll ein psychiatrischer Sachverständiger ein Gutachten zum psychischen Zustand von Klaus E. erstellen.