Getötete Gänse am Wöhrder See: Protest wegen Tierquälerei

21.8.2018, 07:35 Uhr
Die Kanadagans wurde am Wöhrder See zwar angeschossen, allerdings nicht getötet. Das Tier litt über eine Stunde, bis es letztendlich an der Verletzung starb.

© Anke Hoffmann Die Kanadagans wurde am Wöhrder See zwar angeschossen, allerdings nicht getötet. Das Tier litt über eine Stunde, bis es letztendlich an der Verletzung starb.

Anke H. entdeckte gegen 6.30 Uhr an der Norikusbucht die verletzte Gans und zog sie aus dem Wasser, "damit sie nach einer Stunde endlich sterben durfte". Die Empörung über den Jagdpächter und seine drei Kollegen schlägt im Internet hohe Wellen. Brutal und unverantwortlich sei das Vorgehen der Jäger - und das der Stadt Nürnberg, die den Abschuss freigegeben hatte, um die Gänse vom Nord- und Südufer des Wöhrder Sees zu vergrämen.

Uwe-Andre Bauer, Mitarbeiter von Bürgermeister Christian Vogel, hing am Montag den ganzen Tag am Telefon, um Fragen von Bürgern und Medienvertretern zur Gänsejagd am Wöhrder See zu beantworten. Er war am Samstag an der Norikusbucht selber dabei. "Die Jäger haben mit Stahlschrot fünf Schüsse abgegeben, dann habe ich noch einen Nachschuss gehört." Anschließend seien zwei Kanadagänse und drei Graugänse tot eingesammelt worden. Bauer war bis 6.35 Uhr am See, bis dahin habe niemand mitbekommen, dass eine weitere Gans angeschossen im Wasser trieb.

Als die Jäger wenig später am Sandstrand am Nordufer des Wöhrder Sees eine Kanadagans und zwei Graugänse erlegten, war Bauer nicht mehr dabei. Um 6.45 Uhr war der Spuk vorbei. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes, der ebenfalls vor Ort war, weil bereits vor dem Abschuss die öffentliche Empörung über die Gänsejagd groß war, beobachtete, wie die Jäger die Kadaver in große Bags packten und in Autos verluden. In einem saß auch ein Jagdhund, doch laut Amtsmitarbeiter kam er nicht zum Einsatz.

Dem Jäger war die verwundete Gans nicht bekannt

Artikel 39 des Bayerischen Jagdgesetzes verlangt, dass "bei jeder Jagdart auf Wasserwild (…) brauchbare Jagdhunde in genügender Zahl zu verwenden" sind. Damit angeschossene Vögel nicht unnötig lange leiden, ist es Aufgabe der Jagdhunde, sie aus dem Wasser zu holen, sagt der Sprecher des Bayerischen Jagdverbandes, Thomas Schreder. Wenn der Jäger aber keinen Hinweis darauf habe, dass er ein Tier verwundet hat, sei er nicht verpflichtet, seinen Hund loszuschicken.

Was genau am Wöhrder See passiert ist, kann nur der Jagdpächter aufklären. Doch dieser ist nicht bereit, sich öffentlich zu äußern. Auch Uwe-Andre Bauer kann ihn nicht dazu bewegen, Position zu beziehen. Ordnungsamtschef Robert Pollack erklärt auf Nachfrage der Lokalredaktion, dass der Jäger der Stadt als zuverlässig bekannt sei. "Es war mit ihm besprochen, dass er einen Jagdhund einsetzt, wenn eine Gans ins Wasser fällt. Das war aber nicht nötig."

"Bei der Jagd mit Schrot kann es zu Abprallern kommen", erklärt Schreder, der sich zu dem speziellen Fall nicht äußern möchte. Es sei also möglich, dass ein Vogel, auf den der Jäger gar nicht gezielt hat, verwundet wird. Robert Derbeck, 1.Vorsitzender des Tierschutzvereins Noris, bereitet eine Strafanzeige gegen den Jagdpächter vor. Auch ihn beschäftigt die Frage, wie das nun mit dem Jagdhund war. Und wie es passieren konnte, dass die verletzte Gans unbemerkt blieb.

"Gänse-Task Force" will den Tatvorgang klären 

Durch Zurücklassen des verwundeten Vogels sei "eklatant und vorsätzlich gegen bestehende Verordnungen verstoßen" worden, begründet der Tierschutzverein Noris die Anzeige. Das Bayerische Jagdgesetz verlange, dass "krankgeschossenes Wild unverzüglich zu erlegen ist, um es vor vermeidbaren Schmerzen oder Leiden zu bewahren". Außerdem zeige das Zurücklassen der Gans, dass die getöteten Vögel - anders als angekündigt - gar nicht zum Verzehr bestimmt seien. Tierkörper müssten aber in jedem Fall rasch beseitigt werden, damit Gewässer und Boden nicht durch Erreger übertragbarer Krankheiten oder toxische Stoffe verunreinigt werden.

Auch der Deutsche Tierschutzbund werde Anzeige erstatten, so Derbeck. Die kommunale "Gänse-Task Force" werde der Frage nachgehen, was am Samstag womöglich schiefgelaufen ist, sagt Bauer. Sie muss auch klären, ob die Stadt die Jäger noch mal auf die Wasservögel anlegen lässt, um sie von den Stränden zu vertreiben. Die Nürnberger Rechtsanwältin Yvonne Kaiser hat am Montag bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen die Verantwortlichen der Stadt eingereicht, die den Abschuss angeordnet haben. Das Tierschutzgesetz verlange einen hinreichenden Grund, um die Vögel töten zu können. Dass diese die Seeufer verdrecken und das einige ekelig finden, reicht aus ihrer Sicht als Begründung aber nicht aus.

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