Grell, bunt und sexy: In GoHo wartet viel Kultur

24.11.2018, 05:44 Uhr
Im "Gost" wird aber nicht nur das kunstvolle Sprühen geübt, hier machen auch junge Tänzer und Hip-Hop-Musiker ihre ersten Schritte.

© Jo Seuss Im "Gost" wird aber nicht nur das kunstvolle Sprühen geübt, hier machen auch junge Tänzer und Hip-Hop-Musiker ihre ersten Schritte.

"Pow!" steht seit Oktober in fetten, großen Buchstaben an der Wand in der Durchfahrt des Datev-Gebäudes an der Ecke Roonstraße/Fürther Straße. Auf beiden Seiten knallen einem tierische Comicfiguren, Piktogramme und Szenen voller Zitate aus Geschichte, Gegenwart und den 50er Jahren entgegen. Ein packender Spaß, den sich der Künstler Johannes Häfner mit Unterstützung von 170 Datev-Kollegen ausgedacht hat. In gut zwei Monaten wurde der neue Blickfang auf 100 Quadratmetern umgesetzt, wo Türen und auch die Löschwassereinspeisung integriert sind. Straßenkunst par excellence, wie sie in GoHo immer wieder anzutreffen ist.

Zum Beispiel am Rand des Linde-Geländes an der Hessestraße oder ein paar Steinwürfe weiter im Umfeld des "Gost", dem Gostenhofer Kinder- und Jugendhaus, und MUZ-Club, dem Hauptquartier der Musikzentrale, das hinter dem ehrwürdigen Rio-Kino liegt. Angeführt vom Street-Art-Künstler Julian Vogel, der inzwischen in der Austraße wohnt, sind hier mehrere bunte Riesengemälde mit fantastischen Landschaften entstanden. Stets im Teamwork mit jungen Leuten, stets an einem Wochenende unter Hochdruck an den Spraydosen. Das nächste Projekt für 2019 ist schon geplant. Und obwohl ein Fiesling die weiße Wand schon mal "getagt" hat, steht fest: Dieser Schriftzug wird nicht lange überleben.

Im "Gost" wird aber nicht nur das kunstvolle Sprühen geübt, hier machen auch junge Tänzer und Hip-Hop-Musiker ihre ersten Schritte. Einer davon ist Bauan Gholam (19), dessen Eltern aus dem Irak geflüchtet sind. Unter dem Pseudonym Bawan hat er sich inzwischen einen Namen gemacht. Seine Lieder spielen mit Beat und Sprache, sind nicht sexistisch, sondern mehr hintersinnig provokant, kritisieren die Kopierer-Mentalität in der digitalisierten Welt. Erste Erfolge bei Festivals im MUZ-Club haben den jungen Rapper selbstbewusst und ehrgeizig gemacht. Er träumt vom großen Erfolg — natürlich wie viele in der schnellen Hip-Hop-Welt.

Mit Kultstatus

Einen anderen Blick auf das Musikgeschäft hat da Ernst Schultz, der inzwischen 75 Jahre alt ist und zu den Urgesteinen Gostenhofs zählt. Nicht mehr alle wissen, dass er Anfang der 70er Jahre mit der Gruppe "Ihre Kinder" zu den Vorreitern der deutschen Rockmusik gehörte, vor Udo Lindenberg und weit vor Herbert Grönemeyer. Der Durchbruch blieb damals aus, Schultz hatte dann lange sein Grafikbüro in der Volprechtstraße, wohnte in der Denisstraße. Und immer hat er Musik auf hohem Niveau gemacht.

Seit zehn Jahren tritt er mit der "Wundertüte" auf, die Lieder von ihm, Bob Dylan, den Beatles, Neil Young oder Sting spielt. Gefühlvoll, schon mal hart, wenn’s sein muss. Inge Trepte am Schlagzeug, ihr Mann Harry am Bass sowie Gitarrist Holger Stamm — alle aus Gostenhof — begleiten ihn seit Jahren. Da läuft eine geölte Maschine bei Feten zwischen Veit-Stoß-Platz, Hochstraße und Palmengarten. Hochstimmung bis tief in die Nacht. Klarer Fall: Diese "Wundertüte" genießt Kultstatus!

Damit es noch mehr musikalische Wundertüten in Gostenhof und Umgebung gibt, hat Ernst Schultz anno 1984 mit seinem alten Kumpel Sonny Hennig und anderen Musikfans wie Rick Roth die Musikzentrale gegründet. Nach dem Start im "Gost" ging es in ein Eckhaus an der Kernstraße, wo später der 14,80-Lampenladen einzog. Im Zuge der "Gost"-Sanierung erhielt die MUZ dann 2006 nebenan das langersehnte Musikhaus mit Büros, Studio und Club-Saal. Über 400 Mitglieder sind es heute, 93 Übungsräume werden im Großraum verwaltet, zu denen noch mehr kommen sollen. Und der neue Geschäftsführer Sebastian Wild (31) ist begeistert, dass die MUZ mit dem Stadtteil eng verbandelt ist. Das reicht von jungen wie gereiften Rockmusikern, die hier wohnen, über diverse Kooperationen bis zur Wohnung für gastierende Bands in der Adam-Klein-Straße.

Seit zehn Jahren auf der Bühne: "Wundertüte" heißt die Band der Gostenhofer Musiker (von links) Ernst Schultz, Holger Stamm, Inge Trepte und Harry Trepte, die schon bei vielen Festen im Stadtteil gespielt hat.

Seit zehn Jahren auf der Bühne: "Wundertüte" heißt die Band der Gostenhofer Musiker (von links) Ernst Schultz, Holger Stamm, Inge Trepte und Harry Trepte, die schon bei vielen Festen im Stadtteil gespielt hat. © Foto: privat

Faible für Dylan und Harley

"Ohne Gostenhof wäre es langweiliger", sagt er zur Bedeutung des Stadtteils. Davon kann auch Ernst Schultz ein Lied singen, der die Stadtteilerneuerung Ende der 70er Jahre erlebt hat — "samt dem Bermudadreieck Plane, Palais und Palmengarten", wie er sagt. Als "Anker" bezeichnet er das 1979 gegründete Gostner Hoftheater, das bis heute zu den großen Fixsternen gehört, ansässig im Hinterhof der Austraße 70. Mit viel Programm und kreativen Eigenproduktionen, die immer wieder Aufsehen erregen.

Zuletzt war es das Stück "Being Don Quijote", bei dem Stammschauspieler Thomas Witte als Titelheld und Tammo Winkler als Sancho Panza mit bizarren Pseudorössern einen Ritt durch GoHo wagten. Mit Abstechern zur Holzdrechslerei Grottenthaler oder auf die Empore der Dreieinigkeitskirche, wo mit Peter Bielmeier ein sehr kulturaffiner Pfarrer mit einem Faible für Bob Dylan, Rock-Kärwa und Harley Davidson residiert. Und der das evangelische Gotteshaus immer wieder mutig für Kunst und Kultur öffnet.

Der "Don Quijote" ist ein Publikumsrenner geworden. Weil schnell alle Vorstellungen für maximal 50 Besucher ausverkauft waren, folgt die Fortsetzung ab 27. Juni 2019. Verbunden ist das Gostner auf vielerlei Art mit dem Stadtteil. Insbesondere gibt es die Kooperation mit der Preißlerschule, die Isabelle Pyka betreut, seit 2015 hauptamtlich dabei. "Dass das Gostner gewachsen ist, Grundgerüst und Lebensgeist aber bis heute zu spüren sind", hält sie für das Besondere.

Die "Chefin" Gisela Hoffmann, die von Anfang an dabei ist, freut sich über all die Vernetzungen vor Ort. Die reichen von der Gostenhofer Buchhandlung über den City-Druck von Manfred Tischner bis zum Aktivspielplatz. Und falls sie doch eines Tages in Ruhestand gehen sollte, will sie dem Gostner-Verein treu bleiben und natürlich weiter im Haus wohnen.

Grell, bunt und sexy: In GoHo wartet viel Kultur

© Foto: Jo Seuß

Künstler in GoHo

Verwurzelt sind in Gostenhof so manche Aktivposten der hiesigen Kulturszene. Die Bildhauerin Claudia Endres gehört seit 25 Jahren dazu. In der Mittleren Kanalstraße 30 hat sie ziemlich weit hinten ihr Atelier, wo sie grau-blaue Steine aus Brasilien, Azul Macauba genannt, auf ihre spezielle Tour schleift und durchlöchert. Hier bietet sie auch Kurse an und lange gehörte sie zum festen Stamm bei den 1997 gegründeten GoHo-Galerie- und Ateliertagen. Im Oktober 2019 will sie nach einer Pause wieder mitmachen, am 2. Dezember veranstaltet sie mit ihrer Atelier-Gemeinschaft von 14 bis 18 Uhr einen Tag der offenen Tür.

Mit Blick auf die jüngere Szene findet Endres: "So einen reinen Künstler gibt es nicht mehr." Viele würden noch andere Sachen tun, um sich über Wasser zu halten. Etwa Computerspiele schreiben oder eine Kneipe eröffnen. Wie beim "Mops von Gostenhof" in der Volprechtstraße. Der ist wieder eine ganz eigene sexy Wundertüte.

Die Grafikdesignerin Inge Klier hat ein T-Shirt für #meingoho entworfen. Das Shirt (100 Prozent Bio-Baumwolle) kann für 39 Euro in den NN-Geschäftsstellen (Muster vorhanden), unter zeitungsshop.nordbayern.de oder telefonisch (09 11) 2 16 27 77 bestellt werden. Die Farben: Anthrazit oder Citadel Blue, Größen: S-XL (Damen/Herren). Versand kostenfrei, Lieferzeit: fünf bis sieben Werktage.

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