Griechen in der Region sorgen sich um Landsleute

3.7.2015, 09:05 Uhr
Griechen in der Region sorgen sich um Landsleute

© dpa

In der Waldschänke in Erlangen läuft ein griechisches Fernsehprogramm. Der Sender zeigt Bilder von geschlossenen Banken und Menschen, die vor Geldautomaten anstehen. Der Reporter berichtet über die Verunsicherung der Griechen vor der Volksabstimmung über das Sparpaket an diesem Sonntag. Christos Rantzoglou schaut angespannt zum Fernseher. Der Restaurant-Chef und stellvertretende Vorsitzende der Griechischen Gemeinde Erlangen saugt jede neue Information geradezu auf. Wie viele Griechen in Deutschland sorgt er sich um seine Landsleute bei einem möglichen Staatsbankrott.

Rantzoglou lebt seit 1965 in Deutschland. Vor kurzem hat er Verwandte in Griechenland besucht. «Die Leute sind einfach fassungslos.» Aus den griechischen Nachrichten hofft Rantzoglou irgendeinen Hinweis darauf zu bekommen, wie das Referendum ausgehen könnte. Rantzoglou ist für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Sollten auch neue Umfragen wieder einen knappen Ausgang vorhersagen, will der Gastwirt noch am Samstag die Koffer packen und nach Griechenland reisen. «Dann zählt jede Stimme.» Er fühle sich als Europäer, betont der Wirt. «Und ich will, dass Griechenland europäisch bleibt.»

Laut Statistischem Landesamt stammen knapp zehn Prozent der Ausländer in Mittelfranken aus Griechenland. Damit ist ihr Anteil hier prozentual fast doppelt so groß wie im bayerischen Durchschnitt. In Fürth sind 2,2 Prozent der Bevölkerung Griechen - das sei ein auffallend hoher Prozentanteil, erläutert ein Sprecher der Statistikbehörde.

Meinungen über Tsipras gehen weit auseinander

Mehr als 65.000 Griechen leben insgesamt in Bayern. Im Großraum Nürnberg gibt es zahlreiche griechische Kulturvereine, einen griechischen Kunstclub und sogar eine «Private Volksschule der Republik Griechenland». Das Referendum ist aber vor allem in den vielen griechischen Gaststätten das Gesprächsthema Nummer Eins.

In einer Bar an der Stadtgrenze zwischen Nürnberg und Fürth gehen die Meinungen über den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras weit auseinander: «Ja, ich habe Tsipras gewählt, weil ich sauer auf die alte Regierung war», sagt der 33 Jahre alte Philipos Karafoulidis, der noch nicht lange in Deutschland lebt. Mittlerweile habe er seine Protestwahl bereut. «Tsipras hat mein Land an den Abgrund geführt.» Ob Griechenland den Sparauflagen zustimmen soll? «Selbstverständlich», sagt Karafoulidis. Ein Freund des 33-Jährigen schüttelt dagegen energisch den Kopf. Er ist nach wie vor Anhänger von Tsipras. Dementsprechend würde er sein Kreuz bei «Oxi» machen, also mit Nein stimmen - ganz im Sinne des Regierungschefs, der seit Tagen für ein solches Votum wirbt.

Auch die Nürnberger CSU-Stadträtin Aliki Alesik informiert sich mittlels eines griechischen TV-Senders über die Lage im 1600 Kilometer entfernten Athen. «Ich habe geweint, als ich die Bilder von den Menschen sah, die in der Hitze stundenlang vor den Bankautomaten anstanden, um 60 Euro zu bekommen.» Das habe das griechische Volk nicht verdient, meint sie über die Zustände in ihrer alten Heimat.

Kritik an Volksabstimmung

Versäumnisse sieht die 64-Jährige vor allem bei der griechischen Regierung. «Sie hat den Bezug zum Volk verloren», betont Alesik. Die Stadträtin ist gegen den «Grexit»: «Um Gottes willen, nur kein Ausstieg aus der Eurozone.» Zur Zeit verbringt die Politikerin viele Stunden am Telefon, ruft Freunde und Bekannte in Griechenland an, um sie zur Teilnahme am Referendum zu motivieren. «Ich sage dann immer: Man muss dieses demokratische Gut wahrnehmen.» Eine Prognose, wie die Abstimmung am Sonntag ausgeht, wagt sie allerdings nicht.

Christian Georgiou aus Nürnberg zweifelt an dem Referendum: «Ich glaube, dass es auch danach keine Einigung geben wird», sagt der 22-Jährige mit griechischem Pass. Das Sparpaket findet er aber grundsätzlich gut.

Besorgt ist er um sein Oma, die in Griechenland Hotels und eine Gaststätte betreibt. «Sie hat fast keine Gäste mehr, sie hat Angst um ihre Existenz.»

Kritisch zur geplanten Volksabstimmung äußert sich ebenso der 1. Vorsitzende des Integrationsbeirats Fürth, Antonois Kerlidis. «Es ist ein zweischneidiges Messer: Bei einem "Ja" zum Sparpaket kann es zu weiteren Einschnitten bei den Renten kommen. Bei einem "Nein" zum Euro dürfte die Inflation stark ansteigen, die Auszahlung der Renten sogar fraglich sein.» Der 45-Jährige hätte es besser gefunden, wenn sich die griechische Regierung mit den EU-Partnern geeinigt hätte. Jetzt stehe Griechenland vor einer sehr schwierigen Zukunft: «Das tut uns hier lebenden Griechen sehr weh, es ist ja unsere Heimat», sagt Kerlidis.

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