Grüne Oase ohne Zierrasen

9.6.2015, 14:45 Uhr
Grüne Oase ohne Zierrasen

© Foto: Reinhard Schmolzi

Früher habe er jedem Gänseblümchen auf dem gepflegten Rasenstück seines Kleingartens nachgestellt, sagt Herbert Schmidt, seit 2008 Fachberater für Pflanzen und Bäume in der Anlage „Am Kuhweiher“. Nach der zweieinhalb Jahre dauernden Ausbildung mit Prüfung beim Stadtverband der Kleingärtner habe sich das grundlegend geändert, berichtet er heute. Heute bleiben die Gänseblümchen nämlich stehen und nicht nur die. „Ich bin zum Naturgärtner geworden“, verkündet er nicht ohne Stolz und das sieht man seinem Garten auch an. Hier blühen zahlreiche Blumen, gedeiht jede Menge Gemüse. Ein selbst gebautes Insektenhotel ziert die Parzelle.

Ein Stückchen weiter gießen Jakob und Maria Roth ihre prächtig dastehenden Erbsen- und Paprikapflanzen. Die beiden gärteln seit 25 Jahren hier. Auch ihre Parzelle hat nichts von dem, was man sich landläufig unter einem Kleingarten vorstellt. Kein Zierrasen, keine blank gefegten Rabatten oder durchorganisierte Ordnung. „Unser zweites Zuhause ist das geworden“, sagt die 77-jährige Marie Roth nicht ohne Stolz. Das, was sie ernten, kommt auch auf den Tisch. Obst und Gemüse im Laden einkaufen? Nein, erklärt Jakob Roth (82): „Unsere Tomaten und Paprika schmecken doch viel besser.“

Grüne Oase ohne Zierrasen

© Foto: Reinhard Schmolzi

134 Gärten zählt die 1939 als erster Nürnberger Kleingartenpark entstandene Anlage am Kuhweiher, 17 kommen in der Dependance an der Wernfelser Straße und 19 in Mühlhof noch dazu, berichtet Manfred Krauß, seit 2011 Vorsitzender des Kleingärtnervereins am Röthenbacher Landgraben, der sich mitten durch die Anlage schlängelt.

Auffällig die vielen alten und hohen Bäume, die den Weg des Röthenbacher Landgrabens säumen. Letzterer wurde im Jahr 2000 von der Stadt renaturiert. Versorgt mit Wasser aus dem Main-Donau-Kanal, speist er den Faberweiher. In der Kleingartenanlage spielt er eine zentrale Rolle. Ein kleiner Wasserspielplatz ist der Magnet für die Kinder.

„Viele Spaziergänger kommen hier vorbei, Kindergärten nutzen unseren Spielplatz, Radfahrer machen auf ihrer Tour im schattigen Biergarten der Kleingartenkantine Rast“, freut sich der Vorsitzende. Dort sorgen seit mehr als 20 Jahren Rosi Dijak und ihr Mann Andy mit kroatischer und deutscher Küche für das leibliche Wohl der Gäste.

Große Beliebtheit

Die Beliebtheit der Anlage kommt nicht von ungefähr. Im letzten Jahr bekamen die Schreber vom Kuhweiher eine von neun Goldmedaillen beim Bundeswettbewerb „Gärten im Städtebau“. Als einziger Vertreter aus Bayern. Gewürdigt wurden vom Bundesumweltministerium insbesondere soziale, ökologische und städtebauliche Leistungen.

Grüne Oase ohne Zierrasen

© Foto: Reinhard Schmolzi

„Anfang Juli kommen die Grünen auf Stippvisite“, berichtet Manfred Krauß. Die Mitglieder der Öko-Partei wollen sich in der Gartenkolonie umsehen, weil diese mittlerweile auch beim Bündnis für Biodiversität (siehe Infokasten) mitmacht und damit neben den Kleingärtnern von der Rehdorfer Straße in Sachen Erhaltung der Artenvielfalt in Nürnberg eine Vorreiterrolle einnimmt.

Und in dieser Beziehung können die Eibach/Röthenbacher einiges vorzeigen. An den großen alten Bäumen in der Anlage hängen selbstverständlich Nistkästen für Vögel und Fledermäuse. Insektenhotels sieht man an vielen Ecken, außerdem Totholzhaufen, in denen Käfer und andere Nützlinge Unterschlupf finden.

Grüne Oase ohne Zierrasen

© Foto: Reinhard Schmolzi

Zusammen mit dem Bund Naturschutz wurden zwei Igelhäuser angelegt. Kürzlich kam eine kleine Streuobstwiese hinzu. Nicht zu vergessen die Schautafeln, die auf die ökologischen Besonderheiten in der Anlage hinweisen. Besonders stolz sind die Kleingärtner, dass sich in der Anlage auch ein Imker mit seinen sechs Bienenstöcken niedergelassen hat. „Und Thuja-Hecken“ sind auch nicht erlaubt,“ betont der Fachberater.

Keine Chemie erlaubt

Generell gilt in der Anlage natürlich ein Spritzverbot von Chemikalien aller Art. Stromanschluss ist untersagt, Solaranlagen bis zu einer Größe von vier Quadratmetern erlaubt.

Musste er viel Überzeugungsarbeit leisten, um die Mitglieder des Vereins zur Mitarbeit im Biodiversitätsprojekt der Stadt zu überreden? Nein, überhaupt nicht, sagen Krauß und Schmidt übereinstimmend: „Für uns war das von Anfang an klar, dass wir dabei sind.“

Klar, dass die Warteliste für neue Pächter in der Anlage groß ist. Krauß: „Wir haben zwölf Anträge vorliegen. Mit Wartezeiten von bis zu zwei Jahren muss gerechnet werden.“ Viele Familien mit Kindern seien darunter, freut sich der Vorsitzende. Und eine Verjüngungskur komme der Anlage durchaus gelegen. Das Durchschnittsalter der Pächter liegt aktuell bei 60 Jahren.

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