Handyverbot in der Schule: Ist das noch zeitgemäß?

29.11.2016, 06:00 Uhr
Die Schüler waren sich bei der Diskussion einig: Das Verbot der Smartphone-Nutzung sollte abgeschafft werden.

© dpa Die Schüler waren sich bei der Diskussion einig: Das Verbot der Smartphone-Nutzung sollte abgeschafft werden.

Die Vorschrift ist längst nicht überholt und gehört geändert – zumindest wenn es nach den Schülern und einem Großteil der Politiker geht. Klar wurde das bei einer Podiumsdiskussion, zu der das Dürer-Gymnasium geladen hatte. Niedergeschrieben ist die Vorschrift in Artikel 56 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) – und gehört dort eigentlich nicht mehr hin. Davon sind Marcel Fortus und Meli Kücük überzeugt. Für die Schülersprecher am Dürer-Gymnasium bietet ein Mobiltelefon mehr als nur eine Möglichkeit zum Telefonieren. "Viele Schüler haben ihren Stundenplan auf dem Smartphone oder speichern dort ihre Hausaufgaben ab. Und wenn ich wissen will, wann die nächste U-Bahn fährt, erfahre ich das dort auch sofort", sagt Fortus, "ein Handy ist flexibler als ein Hausaufgabenheft."

Der Nürnberger SPD-Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen - der neben seinen Kollegen Karl Freller (CSU), Gabi Schmidt (Freie Wähler), Verena Osgyan (Bündnis 90/Die Grüne) und der Nürnberger Stadträtin Christiane Alberternst (FDP) auf dem Podium saß - kann den Argumenten der Schülervertreter nicht zustimmen. "Den Stundenplan kann ich mir auch aufschreiben und die U-Bahn fährt alle drei Minuten", meint Tasdelen. Für ihn sei es vielmehr eine große Freiheit, auch einmal nicht auf das Handy schauen zu müssen. Für die Schüler hat er einen Alternativ-Ratschlag: "Ihr seid doch alle in einem Alter, in dem ihr euch gegenseitig kennenlernen wollt. Wenn ihr ständig in euer Handy schaut, verpasst ihr ganz schön viel im Leben."

Unterstützung bekam Tasdelen aus dem Publikum von Klaus Seel, dem Leiter der Nürnberger Waldorf-Schule. Dort dürfen Schüler das Handy hin und wieder im Unterricht benutzen. "Eine Schule sollte allerdings auch ein Schutzraum vor der riesigen, vernetzten Welt sein für die Kinder", meint Seel.

Regelung ist schlecht durchsetzbar

Für Gabi Schmidt hingegen gehört das Verbot längst abgeschafft, auch wenn sie selbst früher große Bedenken gegenüber Handys gehabt hat. Die digitalen Medien haben aber die Landtagsabgeordnete und Mutter von drei Töchtern - die jüngste davon mit 15 Jahren noch im Schulalter - "zu einem kritischeren Menschen werden lassen." Ein weiterer Grund für die Abschaffung ist für sie die unterschiedliche Handhabung des Handyverbots an den einzelnen Schulen. "Mancherorts habe ich schon erlebt, dass Direktoren Störsender an der Schule installiert hatten", berichtet Schmidt, "ich will aber nicht, dass Lehrer zur Handy-Stasi werden."

Artikel 56 des BayEUG untersagt die Nutzung von Mobiltelefonen, wenn ihre Nutzung nichts mit dem Unterricht zu tun hat. Lehrer dürfen aber Ausnahmen davon erlauben. Benutzt ein Schüler doch das Handy auf dem Schulgelände, haben Lehrer die Möglichkeit, das Gerät für kurze Zeit abzunehmen. Verpflichtet dazu sind sie allerdings nicht.

Früher gab's die Bravo

Der CSU-Landtagsabgeordnete Karl Freller ist dafür, das Handy mehr in den Unterricht einzubinden. In Kanada gäbe es bereits Schulen, die die Lernbücher nur noch auf dem Laptop haben und nicht mehr in Papierform. Wenn das Handy aber nicht im Unterricht benutzt wird, gehört es während der Stunde aber ausgeschaltet. Ansonsten würde das zu Ablenkung und am Ende zu schlechteren Noten führen. Die Ablenkung vom Unterricht ist aber nicht erst durch das Handy gekommen: "Früher haben wir auch unter dem Tisch die Bravo gelesen." Wie schwer es manchem fallen kann, das Smartphone einmal wegzulegen, weiß Freller aus eigener Erfahrung. Ihn selbst bitten mittlerweile seine erwachsenen Kinder, das Gerät einmal wegzulegen, weil er es ständig in Benutzung habe.

Rund 50 Schüler, Lehrer und Eltern waren in die Aula des Dürer-Gymnasiums gekommen, um zuzuhören, aber auch um mitzudiskutieren. Lukas Stock macht nächstes Jahr Abitur und hat beobachtet, "dass die Regelung schlichtweg nicht durchsetzbar ist. 80 Prozent unter den Lehrern ist es egal, wenn jemand ein Handy benutzt und wer sich im Unterricht ablenken will, der schafft das auch."

Das Verbot führt laut Walter Hauenstein, Direktor des Dürer-Gymnasiums, auch zu Unruhe unter den Lehrern. Lehrkräfte, die strikt gegen die Benutzung vorgehen, würden sich bei ihm oft über ihre Kollegen beschweren, die bei angeschalteten Handys auf dem Schulhof ein Auge zudrücken. "Natürlich ist die Handynutzung auch bei uns an der Schule nicht erlaubt, sonst würden wir ja gegen das Gesetz verstoßen", sagt Hauenstein mit einem Augenzwinkern, "Räumkommandos gibt es aber bei uns nicht."

18 Kommentare