HCE: Der Teil-Umzug nach Nürnberg ist eine große Chance

13.7.2014, 05:32 Uhr
"Unsere Identität ist in Erlangen und soll dort auch bleiben": HCE-Geschäftsführer Stefan Adam.

© Sportfoto Zink / WoZi "Unsere Identität ist in Erlangen und soll dort auch bleiben": HCE-Geschäftsführer Stefan Adam.

Stefan Adam spielte über zehn Jahre Bundesligahandball. In seiner letzten Saison in Wuppertal war er Manager und Profi zugleich, rettete seinen Verein vor der Insolvenz und gründete den Bergischen HC als Fusionsverein, der heute in der ersten Liga spielt. Als Geschäftsführer des THW Kiel feierte Adam Meisterschaft, Pokalsieg und den Einzug ins Final-Four der Champions League. Seit Juli dieses Jahres ist der 41-Jährige beim HC Erlangen tätig.

Herr Adam, Sie kommen aus Dortmund, lebten lange im Rheinland. Wie sind denn die Franken?

Stefan Adam: Die kenne ich ja schon seit 2006, seitdem ich im Aufsichtsrat der Brose Baskets sitze. Es gab beim HCE also keine Eingewöhnungsprobleme, was die Mentalität anbetrifft. Die Menschen unterscheiden sich zum Rheinland, auch zum Ruhrgebiet. Dort ist alles sehr offen, locker und familiär. Im Rheinland sind alle noch lockerer. Ich kann aber auch in Franken keine Verschlossenheit erkennen, im Gegenteil: Ich fühle mich sehr wohl, wurde herzlich, teilweise fast euphorisch aufgenommen.

Familiär, locker, offen — das ist die Identität des HC Erlangen.

Adam: Auf jeden Fall sehr familiär. Die letzten Jahre wurden in Erlangen von einem sehr intensiven Teamplay aller Beteiligten geprägt, von großen Leistungen im ehrenamtlichen Bereich. Man hat beim HCE sehr engagiert gemeinsam an einem Strang gezogen – und nun mit dem Aufstieg Großartiges erreicht. Der Verein besitzt eine besondere Identität und Historie, das merkt man gleich, wenn man ihn kennenlernt. Das ist das Wichtigste: Der HCE ist authentisch und kein Kunstprodukt.

Der Aufstieg ist das Ziel eines langen Weges. Aber er bringt Probleme mit sich, in erster Linie den Heimspielort. Die Hiersemann-Halle, seit Jahrzehnten Heimat des Erlanger Handballs, ist nicht erstligatauglich.

Adam: Schlimmer noch, die Hiersemann-Halle kann man auch nicht durch kosmetische Eingriffe erstligatauglich aufrüsten. Wir werden also nach Nürnberg umziehen, um in der Liga, für die wir uns nun qualifiziert haben, überhaupt spielen zu können. Das ist schon eine Ansage für den Erlanger Handball!

Der Umzug in die Arena kann aber auch eine große Chance sein. Es gab ja lange Zeit Bundesligahandball in Nürnberg, das begeisterte Publikum müsste nur wieder geweckt werden.

Adam: Ja, das unterschreibe ich genauso, das ist unsere große Hoffnung. Wir wollen uns mit harter und kontinuierlicher Arbeit sowie einer identifikationsfähigen Mannschaft in der gesamten Metropolregion verankern, nicht nur in Erlangen. Wir wollen noch bekannter werden, die Handball- und Sportbegeisterten mobilisieren, in die Halle zu kommen. Das kann gelingen, da glauben wir alle dran. Aber bis es so weit ist, bedeutet das auch einen riesigen Aufwand, eine riesige Hürde — zusätzlich zu den Themen, die ohnehin nach einem Bundesligaaufstieg in einem Verein anstehen.

Aber wo ist der gewaltige Mehraufwand zu finden, außer im Finanziellen? Die Arena ist doch eine moderne Multifunktionshalle, hier wurde Spitzenbasketball gespielt, Erstliga-Eishockey . . .

Adam: Das große Problem besteht in den infrastrukturellen Gegebenheiten, die sich im Vergleich zur zweiten Liga komplett verändern. Aber daran hätten wir auch in der Hiersemann- Halle zu knabbern gehabt: Wir müssen ein eigenes Bewegtbildformat produzieren, ein neues Ticketing- und Werbekonzept entwickeln und alles in sehr kurzer Zeit vermarkten. Die Möglichkeiten in der Arena sind ja ganz andere als sie das in Erlangen sind. Das sind auch einige Dinge, die mit der Arena an sich gar nicht so viel zu tun haben.

Ist nicht das eigentliche Problem, dass der Verein aus Identifikationsgründen unbedingt einige Spiele in Erlangen austragen will?

Adam: Natürlich. Es werden allein Hunderte Stunden sein, die wir am Ende allein in die Lösung des Ticketings investiert haben. Die Dauerkartenbesitzer brauchen ja in Erlangen und Nürnberg einen Platz, es gibt dort aber ganz andere Kategorien...

Hätten Sie es begrüßt, nur in Nürnberg zu spielen?

Adam: Das ist ein zweischneidiges Schwert; wir hätten ja terminlich gar nicht alle Spiele in der Arena abbilden können. Also gab es die Überlegung gar nicht, vollständig nach Nürnberg zu gehen. Die Hiersemann-Halle als Ausweichspielstätte ist logistisch trotzdem ein Riesenproblem. Aber der Identifikationsaspekt für den Erlanger Verein mit einem Spielort in Erlangen ist natürlich wichtig und darüber sind wir jetzt auch sehr froh, in unserer Heimat unserem Publikum Erstligahandball präsentieren zu können. Aber es ist auch ein Drahtseilakt.

Jetzt möchte der HCE sich ja mittel- und langfristig in der Bundesliga behaupten. Was bedeutet das für den Heimspielort?

Adam: Eine solche Konstruktion wie wir sie heuer haben, wird es dann sicher nicht ein zweites Mal geben.

Das heißt, der HCE wird nach einem Jahr Nürnberg wieder verlassen?

Adam: Nein, im Gegenteil. Sollten wir die Klasse halten, werden wir nicht noch einmal in Erlangen spielen können. Es sei denn, bis dahin steht eine neue Halle.

Der Neubau einer Sporthalle für 3000 Handballfans ist geplant, Erlangens Stadtplanungsreferent Josef Weber meinte gegenüber dieser Zeitung, wenn man „sehr optimistisch“ sei, könnte die Halle frühestens Ende 2015 stehen.

Adam: Wie soll das für den HCE funktionieren? Wir brauchen dringend Planungssicherheit.

Der HCE wird aber definitiv weiter ein Erlanger Verein bleiben?

Adam: Unsere Identität ist in Erlangen und soll dort auch bleiben. Trotzdem wollen wir natürlich Handball auf höchstem Niveau in der gesamten Region verankern, wir wollen die Wirtschaftskraft bündeln, wir sind der einzige Bundesliga-Handballverein Bayerns. Das ist eine große Chance. Wenn die Voraussetzungen in Erlangen dafür nicht gegeben sind, werden wir eben von Nürnberg aus operieren. Das heißt aber nicht, dass wir uns umbenennen, nur weil in Erlangen keine erstligataugliche Halle steht. An so etwas verschwenden wir keinen Gedanken.

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