Historisches Zellengefängnis in Nürnberg feiert Geburtstag

21.7.2018, 08:00 Uhr
Historisches Zellengefängnis in Nürnberg feiert Geburtstag

© Stefan Hippel

Von hier aus hat man früher fünf Gefängnisflügel überwacht. Jetzt sind es nur noch zwei, in die man von der Zentralhalle aus blicken kann. Überall sind Gitter. An den Fluren alle paar Meter eine Türe – die perfekte Kulisse für Gefängnisfilme. Die Zellen sind klein. Die Fenster so weit oben, dass man nicht nach außen sehen kann. Man kann sich vorstellen, wie sich die Häftlinge hier gefühlt haben müssen. Vor rund zwanzig Jahren sind die letzten von ihnen ausgezogen. Heute sind die zwei noch verbliebenen Flügel des historischen Zellengefängnisses derart marode, dass sie abgestützt werden müssen, um nicht noch größeren Schaden zu nehmen.

Vor 150 Jahren jedoch war der Bau der modernste seiner Art. Damals fand gerade ein Umdenken im Umgang mit Strafgefangenen statt. Sie sollten nicht mehr nur vor der Allgemeinheit weggesperrt werden, sie sollten das Gefängnis als bessere Menschen verlassen. Das – so dachte man – könne nur funktionieren, wenn die Gefangenen untereinander keinen Kontakt und somit keinen schlechten Einfluss aufeinander haben. Die Lösung: Einzelhaft.

Trennwände selbst beim Gottesdienst

Als die Fotografin Gertrud Gerardi im Jahr 1958 dieses Bild aufgenommen hat, waren noch Häftlinge in den Zellen untergebracht.

Als die Fotografin Gertrud Gerardi im Jahr 1958 dieses Bild aufgenommen hat, waren noch Häftlinge in den Zellen untergebracht.

Drei Jahre lang wurde an dem sternförmigen Gefängnis gebaut. Beim Bau des letzten der fünf Flügel mussten auch die Gefangenen selbst mit anpacken, 1868 war alles fertig. Die Tage der Häftlinge waren streng durchgetaktet. Um 4.30 Uhr hieß es aufstehen, der Arbeitstag begann um 5 Uhr. In ihren Zellen mussten die Gefangenen Schuhe reparieren, weben, oder Besen binden. Nur diejenigen, die den gebildeten Ständen angehörten, waren oft von der Arbeitspflicht befreit. Handwerkliches Geschick hatten sie schließlich sowieso keines – so die Argumentation damals.

Nicht einmal während des Gottesdienstes oder des Unterrichts – zwei Stunden in der Woche mussten die Gefangenen die Schulbank drücken – gab es Kontaktmöglichkeiten zu anderen Gefangenen. Die Plätze waren durch Trennwände abgesichert. Die Ernährung der Häftlinge – damals war sie im Vergleich zu dem, was die restliche Bevölkerung hatte, gar nicht mal übel. Es gab Brot, Reis, Hülsenfrüchte, Sauerkraut und Knödel. Zweimal in der Woche wurde Fleisch gereicht. Bier und Wein jedoch gab es nur für Kranke – und auch dann nur, wenn es ein Arzt so angeordnet hat.

Todesurteile gegen Nazi-Verbrecher

Diese historische Aufnahme stammt ebenfalls aus dem Jahr 1958.

Diese historische Aufnahme stammt ebenfalls aus dem Jahr 1958.

Diese alten Zeiten sind es aber nicht, die das Zellengefängnis so berühmt gemacht haben. Weltweite Bekanntheit hat der Bau durch die Kriegsverbrecherprozesse erlangt. Nach einem zehnmonatigen Verfahren ergingen am 1. Oktober 1946 die Urteile gegen die Hauptkriegsverbrecher. Die Todesurteile wurden in der Turnhalle des Zellengefängnisses vollstreckt. 184 Angeklagte mussten sich in den Nachfolgeprozessen verantworten. Auch sie warteten im Zellengefängnis auf ihren Prozess.

Dass diese Prozesse gerade in Nürnberg stattfanden, machte auch logistisch jede Menge Sinn. Nirgendwo sonst hätten die 200 erforderlichen Sicherheitszellen für Angeklagte und inhaftierte Zeugen so rasch und in unmittelbarer Nähe zu einem Gerichtssaal zur Verfügung gestellt werden können. Zusammen mit dem Saal 600 im benachbarten Justizpalast ist das Zellengefängnis für Justizminister Winfried Bausback ein eindrucksvolles historisches Denkmal.

Historisches Zellengefängnis in Nürnberg feiert Geburtstag

© Stefan Hippel

"Durch die Nürnberger Prozesse ist das Zellengefängnis weltweit bekanntgeworden und war zusammen mit dem Saal 600 Schauplatz der Entstehung unseres modernen Völkerstrafrechts", sagt er. Freilich, für die Unterbringung von Gefangenen oder für die Verwaltung könne man das Gebäude heute nicht mehr nutzbar machen. Eine Auszeichnung als Weltkulturerbe würde die außergewöhnliche Geschichte des Bauwerks jedoch ganz besonders hervorheben.

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