Hubi ist Punk, aber ein Geläuterter

8.11.2008, 00:00 Uhr
Hubi ist Punk, aber ein Geläuterter

© Karlheinz Daut

Seine Kindheit, sagt er, war «nicht so der Hammer«. Hubi, heute Ende 20, ist Punker und hat jahrelang unter Brücken, in Abrisshäusern oder «bei Kumpels« übernachtet. Im 30-Minuten-Streifen des Nürnberger Filmemachers Gerhard Faul rückt ihm die Kamera dicht aufs Gesicht, zoomt jedes bunte Detail heran, das Hubi, der eigentlich Christian heißt, von braven Bürgersöhnen deutlich unterscheidet.

Mit 17 abgehauen

Piercings in Nase und Ohren, Tattoos und Nietenjacke, schwere Springerstiefel und ein wie im Trotz aufgeworfener Mund. Reden kann er gut, über seine Eltern in Lauf, die Alkoholiker waren, über den Vater, der sich erschossen hat, als Hubi sechs war, und die Zeit im Heim, weil’s mit der Mutter nicht mehr ging. Mit 17 haute er ab, ging auf die Straße. Wöhrder Wiese, Lorenzkirche, U-Bahn-Untergeschoss Hauptbahnhof - das waren seine Nürnberger Stationen.

Er ist ein Geläuterter

Heute hat der stämmige Mann mit den kunstvoll bunt gefärbten Haaren längst die Schnauze voll vom «Haste-mal-ne-Mark«-Alltag und vom Stress auf der Straße, hat Freundin, Wohnung und einen Job. Seinen Auftritt als «Filmstar« nutzt er prompt, um sich für die alte Forderungen nach einem selbstverwalteten Nürnberger Punk-Haus stark zu machen: «Ihr wollt uns von der Straße weghaben? Gebt uns ein Haus!« Fazit: Hubi ist zwar nach wie vor Punker, aber ein Geläuterter, der «Drogen echt Scheiße« findet und Streetworker «total cool«.

Ein Happy End, das ihn und die zweite Hauptdarstellerin, die Ex-Punkerin Zita, die ebenfalls wieder in ein geregeltes Leben zurückgefunden hat, sicher für den vom Bayerischen Sozialministerium mit 18000 Euro finanzierten Film qualifiziert hat. Ein wenig zu rosarot, einen Hauch zu optimistisch kommt die Story daher; Hubi berichtet denn auch erst nach der Präsentation des Streifens im Nürnberger Filmhaus-Kino, dass er in 16 Jahren Punkerszene fast 20 junge Leute hat sterben sehen, an Drogen, am Suff, an Verzweiflung.

«idealer Herzöffner«

Die Dokumentation sei ein «idealer Herzöffner« für alle, die Vorurteile gegen junge Obdachlose hätten, sagt Rolf Baumann vom Ministerium. Seine eigenen fünf Kinder gingen ihren Weg, so der Ministerialrat, nicht alle hätten diese Chance.

Eigentlich sah alles danach aus, als hätte Zita, die mit 16 in die Punkszene abtauchte, diese Chance gehabt. Eine schöne Kindheit, wie sie sagt, in einem alternativen Elternhaus in Unterfranken. Eltern, die selbst nach Jahren noch Kontakt hielten zu der verlorenen Tochter und die zahllosen Strafzettel bezahlten, die Zita von der Polizei bekam, weil sie schwarzgefahren war oder Alkohol in der Öffentlichkeit getrunken hatte.

Doch die Solidarität der Jugendkultur, das Ungebundene und die Ferne aller Autoritäten zogen das Mädchen an, das in Nürnberg eigentlich sein Fachabi machen sollte. Als sie die Kleider der längst verschwundenen Tochter im Wohnheim abholen sollte, habe sie nur zerrissene Fetzen gefunden, berichtet ihre Mutter Barbara. Damals sei sie überzeugt gewesen, «das sind nicht Zitas Klamotten«.

Ring in der Unterlippe

Sie waren es, und jeder neue Strafzettel berichtete von den Stationen der stromernden Punkerin. Heute erinnert nur noch ein kleiner Ring in der Unterlippe an den Ausstieg. Zita macht eine Schreinerlehre, ist wieder im Gleis.

Information: Wo ist der Film zu sehen? Vor allem an Schulen, an soziale Einrichtungen, Streetworker und Sozialpädagogen richtet sich die DVD, die über den Medienladen am Filmhaus, Telefon (0911) 2059154 bestellt werden kann. Chancen hat Gerhard Fauls Werk womöglich auch beim Fernsehkanal BR-alpha. Ein Sendetermin steht noch nicht fest.