Hundehalter wehren sich gegen Leinenzwang im Pegnitztal

21.1.2015, 07:44 Uhr
Hundehalter wehren sich gegen Leinenzwang im Pegnitztal

© Eduard Weigert

Das Interesse ist groß. Die 70 Sitzplätze reichen bei weitem nicht aus, rund 150 Nürnberger strömen in den Saal. Ein Zuhörer hält während der gesamten Veranstaltung, die zwei Stunden dauern wird, ein großes Schild hoch: „Nein zum Leinenzwang!“ Die Stimmung ist gereizt. Immer wieder wird Claus Rammler von der zuständigen Höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Mittelfranken von Zwischenfragen oder Zurufen unterbrochen, als er über das geplante Naturschutzgebiet „Wasserwerk Erlenstegen“, so der Arbeitstitel, informiert. Ein Name wird noch gesucht.

Was sind die Vorteile, wenn die 250 Hektar große Fläche zum Naturschutzgebiet erklärt wird? Mit diesem Status kann man Beeinträchtigungen vermeiden, die Vielfalt der Natur erhalten. Die rechtliche Zuständigkeit wechselt zur Regierung von Mittelfranken. Die Betreuung des Gebietes bleibt jedoch bei der Stadt — mit Ausnahme der Pegnitz, die vom Wasserwirtschaftsamt unterhalten wird. Das geht mit finanziellen Vorteilen und mehr Möglichkeiten vom Freistaat einher. Ein Beispiel: Wenn eine alte, von Eremiten bewohnte Eiche aus Gründen der Verkehrssicherheit weichen muss, dann stehen staatliche Mittel bereit, mit denen zum Schutz des Baumes eine Verlegung des Weges ermöglicht wird.

Auch wäre ein Problem, das die Stadt derzeit umtreibt, gelöst: Die Hinterlassenschaften von freilaufenden Hunden verunreinigen zunehmend die Wiesen, berichtet Rammler. Diese werden zweimal im Jahr vom Tiergarten gemäht, das führt zu blütenreichen Flächen und zur Lebensraumvielfalt. „Wegen der Verunreinigung durch den Hundekot ist das Mähgut als Futter für die Zootiere nahezu nicht mehr verwertbar“, fährt er fort. Zudem schädigen liegen gelassene Spielstöckchen die Mähmaschinen.

Bußgelder drohen

Im Naturschutzgebiet gehören Hunde an die Leine. Während der sogenannten Aufwuchszeit (1. März bis 30. September) dürfen laut dem Landwirtschaftsrecht die Wiesen nicht betreten werden. Das gilt zwar schon jetzt, aber in einem Landschaftsschutzgebiet seien die Eingriffsmöglichkeiten begrenzt, so Pluschke. „Mit dem höheren Schutzstatus haben wir rechtliche Handhabe und das Instrumentarium, um Bußgelder zu verhängen.“

Er betont, dass dies jedoch nur bei hartnäckigen Fällen angewandt werde, die Naturschutzwacht solle vielmehr vor Ort informieren. Zudem hat die Stadt dann bessere Interventionsmöglichkeiten, „um dort, wo der Missbrauch der Landschaft beginnt, besser einzugreifen — etwa bei Feuerstellen oder den zunehmenden Feieraktivitäten“. Die Beweidung von Schafen ist übrigens von dem „Wiesen betreten“-Verbot ausgenommen. Diese macht nur einen kleinen Teil aus, 90 Prozent der Flächen werden vom Tiergarten bewirtschaftet.

Die Reaktionen auf die Ausführungen folgen prompt: „Obwohl wir dort rumlaufen, sind die Pflanzen noch da. Wir gehen doch sorgsam mit unserem Naherholungsgebiet um.“ Ein anderer ergänzt: „In den letzten Jahrzehnten ist hier alles gut gelaufen, warum muss sich jetzt die Politik einmischen?“ Eine Zuhörerin meint: „Meine Kinder sollen in den gleichen Bäumen rumklettern können, auf denen ich als Mädchen war — das ganze Jahr über.“ Und eine Hundebesitzerin wünscht sich „egal, ob das Naturschutzgebiet nun kommt oder nicht, Aufsteller mit Tüten“. Andere fordern mit Blick auf die eventuellen Neuerungen, mehr Wege anzulegen. Eine Dame spricht sich gar für separate Fahrradwege aus.

„Uns ist der Konflikt bewusst“, räumt Pluschke ein. „Wir werden klären, wo die Hunde frei herumlaufen können. Das ist eine der Aufgaben, die ich mitnehme.“ Die Stadt entwickelt im Laufe des Jahres ein Konzept, es wird wohl Anfang 2016 im Stadtrat vorgestellt. Bürger können ihre Anregungen und Einwände an umweltreferat@stadt.nuernberg. de mailen. In seinem Schlusswort sagt Pluschke: „Der Abend hat mich anfangs etwas erschreckt, aber je länger wir miteinander reden, desto zuversichtlicher bin ich, dass wir gute Lösungen finden werden.“

Nach der Veranstaltung starten Hundebesitzer am Ausgang eine Unterschriftenaktion gegen das Projekt.

Die Ansicht der Bürgervereine

Auf Nachfrage des Stadtanzeigers äußern sich die Vorstände der Bürgervereine wie folgt:

Mathilde Höfler (Laufamholz) meint, dass der jetzige Schutzstatus ausreiche, steht jedoch einem Naturschutzgebiet (NSG) nicht negativ gegenüber. Sie spricht sich für mehr Hundefreilaufflächen, Spiel- und Liegewiesen, Fußgänger- und Radwege aus.

Wolfgang Köhler (Mögeldorf) findet, dass die Vorteile eines NSG noch stärker herausgearbeitet werden müssen. Wichtig sei, dass die Interessen der Bevölkerung unter Wahrung des Schutzbedürfnisses der Natur beachtet werden.

Annette Gröschner (St. Jobst/ Erlenstegen) weist darauf hin, dass als NSG mit staatlichen Mitteln eine bessere Pflege möglich sei, „damit das Gebiet so wunderschön bleibt“. Mit Blick auf die Hundehalter sagt sie: „Ihrem verständlichen Wunsch, dann möglichst viele Auslaufflächen auszuweisen, schließen wir uns an.“ Sie hofft auf eine gute Lösung für alle — Mensch, Tier und Natur.

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