Ignoriert Nürnberg Gewalt von Frauen gegen Männer?

16.1.2015, 06:00 Uhr
Ignoriert Nürnberg Gewalt von Frauen gegen Männer?

© Marcel Staudt

Wenn von Gewalt in der Ehe oder zwischen Partnern die Rede ist, stellen sich die meisten Menschen Szenen wie diese vor: Ein brutaler Kerl beleidigt, schlägt oder tritt sein oft deutlich schwächeres, weibliches Opfer. Diese klare Rollenverteilung in vielen Köpfen geht Andre Rossnagel gehörig gegen den Strich. Denn wenn man dem stellvertretenden Vorsitzenden des Väter-Netzwerkes Nürnberg glaubt, werden Männer in Beziehungen genauso häufig zur Zielscheibe von psychischer oder gar körperlicher Misshandlung durch ihre Frauen.

„Es gibt hierzu Statistiken der Kriminalpolizei, aber auch wissenschaftliche Studien, die das belegen“, ist der 45-Jährige überzeugt. In einer Pressemitteilung des Vereins heißt es sogar, dass „die Gewalt von Frauen gegenüber Vätern/Männern und Kindern in den letzten zehn Jahren enorm zugenommen“ habe. Jeder fünfte Mann soll schon mindestens einmal Gewalt von der Partnerin erfahren haben, besonders bei einer Trennung. Zahlen, die Rossnagel durch eigene Erfahrungswerte bestätigt sieht.

Ganz im Gegensatz zu weiblichen Opfern fehle Männern jegliche Unterstützung, findet Andre Rossnagel. „Wohin soll sich bitte ein Mann wenden?“, fragt der VNW-Vize, bei dessen Verein jede Woche mindestens drei bis vier Anrufe von Betroffenen eingehen, die unter Übergriffen ihrer Partnerinnen leiden. Selbst bei der Polizei stoße „Mann als Opfer“ auf taube Ohren. Ein Betroffener, den er kennt, habe dort nur ein mitleidiges Lächeln geerntet, als er seine Frau anzeigen wollte. „Die haben ihn einfach heimgeschickt, obwohl er sichtbare Spuren des Angriffs trug“, sagt Rossnagel.

Studien sind eindeutig

Glaubt man den Statistiken, dürfte das geschilderte Ereignis freilich eher die Ausnahme sein: Laut Untersuchungen aus Deutschland und Österreich werden gut ein Viertel aller Männer „Opfer körperlicher Gewalt in irgendeiner Form“ durch Frauen. „Dass auch Männer durch ihre Partnerinnen Gewalt erfahren, ist eine wissenschaftlich belegte Tatsache“, heißt es etwa in einer Studie des Familienministeriums in Wien.

Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die „Konsequenzen der Übergriffe für weibliche Opfer überwiegend gravierender sind als für männliche Opfer und dass weibliche Opfer zumeist schwerer verletzt werden als männliche Betroffene“. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums von 2002 konkretisiert sogar: „Die überwiegende Form war wütendes Wegschubsen, gefolgt von leichten Ohrfeigen und Gebissen- oder Gekratztwerden. Kein einziger Mann gab an, verprügelt oder zusammengeschlagen worden zu sein.“

Dass es in Nürnberg keine Anlaufstelle für Männer gibt, sei trotzdem „eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit“, finden Andre Rossnagel und seine Mitstreiter vom VNW. Sie fordern daher Stadträte aller Fraktionen auf, die Einrichtung eines kommunalen Gleichstellungsbeauftragten für Männer/Väter zu unterstützen. „Warum soll die Stadt nur die Arbeit der Frauenbeauftragten zahlen?“, will der VNW-Vizevorsitzende wissen.

Zumal sein Verein mit der Arbeit von Eva Löhner Probleme hat. So kritisieren Rossnagel und Co. vehement die „Nürnberger Kampagne gegen Männergewalt an Frauen und Kindern“. Die Karten, auf denen Nummern vieler Nürnberger Hilfs-Angebote für Frauen stehen, werden unter anderem vom Frauenbüro, aber auch von der Polizei und anderen Einrichtungen verteilt. Für das VNW ist die Karte „diskriminierend“, weil sie „das Vorurteil verstärkt, dass Gewalt in Familien nur von Männern ausgeht“ und nur den Schutz von Frauen zum Ziel habe, statt alle Formen häuslicher Gewalt zu bekämpfen.

Vorwürfe, die Eva Löhner nicht mehr hören kann: Der Begriff „Männergewalt“ spiegelt für sie schlicht die „realen Verhältnisse“ wider: „Sowohl nach meiner Erfahrung als auch statistisch gesehen“, betont die Frauenbeauftragte. Darüber hinaus sei es völlig „legitim“, dass das Augenmerk beim Thema Gleichstellung auf den Frauen liegt.

Der Ausgangspunkt sei schließlich eine andauernde „soziale und gesellschaftliche Schieflage“ zugunsten von Männern. Dass auch Letztere Betroffenheit äußern, sei „richtig und notwendig“, räumt Eva Löhner ein, aber mit „ideologischen Vorwürfen“ tue sich das Netzwerk selbst keinen Gefallen.

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