Ist der TH-Neubau das "neue Schandmal" der Stadt?

29.11.2013, 10:26 Uhr
Ist der TH-Neubau das

© Michael Matejka

Die Fassade ist schneeweiß, die Architektur kalt und schmucklos. Der Bau trägt viele Namen: Bestellbau, Gebäude BB, Standort Bahnhofstraße 90. Die Rede ist von dem Bau am Dürrenhof-Tunnel, den die Technische Hochschule Nürnberg (TH) in einer Hauruck-Aktion angemietet hat. Seit einigen Wochen hat er einen weiteren Namen: das neue Schandmal Nürnbergs. Nicht gerade schmeichelhaft ist dieses Urteil, das eine anonyme Gruppe von Studenten fällt.

Sie haben Flyer verbreitet, in Bars und Cafès liegen sie aus. Die Lorenzkirche, die Kaiserburg, das Bahnhofsgebäude und eben der Bestellbau sind darauf abgebildet. „Nürnberg hat ein neues Schandmal bekommen“ steht darüber geschrieben. Die Botschaft der Ästhetik-Guerillas lautet: „Das Gebäude ist eine Katastrophe.“ Dass ausgerechnet Architekturstudenten hier unterrichtet werden, klingt in ihren Ohren wie Hohn.

Kreuze für die Ästhetik

Um ihrem Ärger Luft zu machen, haben sie mehrere Protestaktionen gestartet und 40 Holzkreuze mit Schwarz-Weiß-Fotografien vor dem weißen Bauwerk aufgestellt. Oscar Niemeyer, Erich Mendelsohn und Steven Holl waren darauf zu sehen — namhafte Architekten, deren Prinzipien und Auffassung von Ästhetik mit dem Bestellbau zu Grabe getragen wurden — zumindest wenn es nach den Protest-Studenten geht. Spätabends haben sie zweimal nun schon Holzkreuze aufgestellt.

Der Hausmeister hat sie jedesmal in aller Herrgottsfrüh wieder verschwinden lassen. Auch Fotos davon, die die Studis über die Rechner an der Fakultät verbreiten wollten, hat der Hausmeister beschlagnahmt. Er hält sie streng unter Verschluss. Ganz zur Freude der Guerilla-Studenten: „Dass die Uni die Aktion vertuschen will, heizt das Ganze natürlich noch an.“ Es sind sechs Studenten an der Zahl, die für Kreuze und Flyer verantwortlich sind. Sie wollen im Verborgenen bleiben. Nicht nur, weil ihnen der Mut fehlt, sich eventuell Ärger mit der Hochschule einzuhandeln, sondern auch, weil das die Sache spannender macht.

Denn unter den Studenten herrschte große Aufregung, als sie von der Kreuz-Aktion erfuhren. Josephine Herrmann und Julia Feher — beide Architektur-Studentinnen — rätseln heute noch, wer dahinter steckt. „Flyer und Kreuze haben bei uns eine Diskussion ausgelöst — das ist gut“, findet Julia. Die selbst so ihre Probleme mit dem Bau hat: „Man hätte ihn mit einfachen Mitteln schöner machen können.“ Über Ästhetik lässt sich streiten. Was aber im Alltag zum Problem wird: Im vierten Stock, dort wo die Architektur-Studenten ihre Arbeitsplätze haben, sind die Decken nicht verkleidet. Drahtseile und Neonröhren baumeln herab, die Wände sind hoch, an die 200 Studis haben hier einen Schreibtisch. Was ein wenig „loftig“ aussehen soll, hat einen entscheidenden Nachteil: „Es ist irre laut hier. Das nervt“, findet Josephine.

Kürzere Wege

Denn der Schall hallt ungefiltert durch den Raum. An diesem Vormittag tummelt sich nur eine Handvoll Studenten darin, doch es klingt, als polterten Horden von angehenden Architekten durch den Saal.

Matthias Salmen hingegen kann dem Neubau durchaus Positives abgewinnen. Er studiert hier Media Engineering. Statt — wie bislang — für die Vorlesungen zwischen drei verschiedenen Gebäuden hin und her zu eilen, muss er das nur noch zwischen zwei: dem Bestellbau und der Fakultät am Keßlerplatz.

Den Bau hatte die Technische Hochschule bestellt, um kurzfristig ein langfristiges Platzproblem zu lösen. Der doppelte Abiturjahrgang und der Wegfall der Wehrpflicht schwemmte die Studenten geradezu an die Unis. Bundesweit haben die Studentenzahlen Rekordniveau erreicht. Das hat sich auch an der TH bemerkbar gemacht. Ein weiteres Gebäude musste schnell her.



Der Freistaat hat also den Kubus am Dürrenhof-Tunnel in Windeseile zu einem Dumpingpreis bestellt und einen Mietvertrag für zehn Jahre abgeschlossen. 18 Millionen Euro hat der Bau gekostet, 1000 Studenten haben hier Platz, Betriebswirtschaft, Architektur, Sozialwissenschaft sowie Elektro- und Feinwerktechnik werden unterrichtet. Der gröbste Platzmangel ist damit gelindert. Aber der Raum reicht noch immer nicht. Vor allem BWL-Studenten klagen darüber, dass sie in den Vorlesungen keine Sitzplätze bekommen. Sie stehen dann Schlange bis hinaus auf den hellen Gang mit seinen kahlen, weißen Wänden.

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