Ist Nürnberg ein Hort der Armut im reichen Bayern?

19.2.2018, 09:05 Uhr
Eine drastische Form sichtbarer Armut: Ein Obdachloser bittet um kleine Gaben.

© dpa Eine drastische Form sichtbarer Armut: Ein Obdachloser bittet um kleine Gaben.

Jedes fünfte Kind und jeder fünfte Jugendliche wächst in Nürnberg in Haushalten auf, die auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Auch die Zahl der davon abhängigen Erwachsenen bewegt sich mit geringen Schwankungen auf ähnlichem Niveau.

Noch gestiegen ist anscheinend der Kreis derer, die von Armut bedroht sind - und zwar über die bekanntlich besonders stark betroffenen Arbeitslosen und Alleinerziehenden hinaus. Das zeigt jedenfalls die sogenannte Armutsgefährdungsquote.

Wenige Hundert Euro

Danach gilt als tendenziell arm, wer monatlich über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt - also über weniger als 1025 Euro für einen Single und weniger als 2150 Euro für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren. Zwar liegt das noch deutlich über dem, was als Existenzminimum und absolute Bedürftigkeitsgrenze gilt - an der sich die Grundsicherung und "Hartz IV" orientieren. Aber konkret bleiben dennoch - nach Abzug der Ausgaben für Miete, Heizung und Strom - jeweils nur wenige Hundert Euro. Was bei den Ausgaben für Lebensmittel, Kleidung und Hygiene zu äußerster Sparsamkeit zwingt.

In Nürnberg galt 2016 sogar fast jeder Vierte als von Armut bedroht: Mit einer Quote von 23,3 Prozent belegte Nürnberg hinter Dortmund (24,2 Prozent) den traurigen zweiten Spitzenplatz unter allen Großstädten. Das Risiko lag damit knapp doppelt so hoch wie im bayerischen Durchschnitt (12,1 Prozent). Seit 2012 war der Nürnberger Wert von damals 17,4 Prozent kontinuierlich gestiegen.

Paradoxe Situation

Noch drastischer nehmen sich die Werte aus, wenn nicht das bundesweite, sondern das höhere Einkommensniveau im Freistaat zu Grund gelegt wird: Nach diesem Maßstab kletterte die Armutsgefährdungsquote von 21,7 Prozent innerhalb von fünf Jahren sogar auf 27,5 Prozent. Dabei liegt die Beschäftigung auf Top-Niveau, die Erwerbslosigkeit ist auch in Nürnberg nur noch halb so hoch wie noch vor ein paar Jahren. Und auch bei der Belastung durch Aufwendungen für Grundsicherung schneidet Nürnberg im Großstadtvergleich besser ab als angesichts der Armutszahlen zu erwarten wäre.

Wie aber passt all das zusammen? Ein Faktor könnte, wie auch der DGB seit langem vehement beklagt, die drastische und in Nürnberg besonders ausgeprägte Zunahme sogenannter prekärer Beschäftigungsverhältnisse sein, also der Gruppe der "working poor", unter anderem in der Logistikbranche und im Handel.

Offenbar sei das Armutsrisiko inzwischen teilweise losgelöst von den Ansprüchen auf staatliche Hilfen, heißt es auch in einem Antrag der SPD-Fraktion im Nürnberger Stadtrat. Sie bittet die Verwaltung um eine Analyse der Entwicklung und möglicher Ursachen, um auch die kommunalen Bemühungen zur Eindämmung von Armut zu überprüfen.

"Wir haben aber schon vorher begonnen, uns die einschlägigen Untersuchungen gründlicher anzusehen", beteuert Sozialreferent Reiner Prölß. Denn die Studien der statistischen Ämter, des Paritätischen Wohlfahrtsverbands oder auch der Bertelsmann-Stiftung seien durchaus nicht immer zur Deckung zu bringen. "Das liegt auch an den Methoden", so Prölß weiter.

Eine Schwäche sieht er darin, dass Erhebungen auf dem sogenannten Mikrozensus beruhen - und damit auf schwer überprüfbaren Auskünften der Befragten. Zudem bleiben drückende Schulden ebenso ausgeklammert wie mögliches Vermögen und die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten.

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