„Jeder Einspruch spielt eine Rolle“

27.4.2016, 07:59 Uhr
„Jeder Einspruch spielt eine Rolle“

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Herr Burkert, ist der Bundesverkehrswegeplan, so wie er jetzt vorliegt nicht eher ein Wunschkonzert einzelner Politiker? Es stehen ja Wahlen ins Haus. Oder ist die Planung realistisch?

„Jeder Einspruch spielt eine Rolle“

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Martin Burkert: Früher war das sicher so. Jetzt haben wir eine Prioritätenliste, nach der jedes einzelne Projekt abgearbeitet wurde. Außerdem, und das ist auch neu, ist der Bundesverkehrsplan zu hundert Prozent durchfinanziert. Der letzte war das nur zu 50 Prozent. Das Geld für die einzelnen Maßnahmen steht also zur Verfügung.

 

Die Platzierung von drei Nürnberger Projekten auf der Liste des neuen Bundesverkehrswegeplans hat für einige Aufregung und Kopfschütteln gesorgt. Haben Sie eigentlich an dem Plan mitgewirkt?

Burkert: Der Entwurf stammt vom Ministerium. Verhandlungen folgen. Aber man versucht sicher schon im Vorfeld deutlich zu machen, wo man persönlich die Prioritäten setzt. Die kennt der Minister. Vieles hat ja auch eine Vorgeschichte. Die Absicherung der Finanzierung des Ausbaus am Autobahnkreuz Nürnberg-Süd geht auch auf meinen Einsatz zurück. Ich kritisiere den Minister auch nicht für den Tunnel in Oberau. Ich möchte aber schon deutlich machen, dass es in Nürnberg auch wichtige Projekte gibt.

 

Welche sind das vorrangig?

Burkert: Sechs Kilometer Ausbau der A 6 mit Lärmschutz an der Anschlussstelle Schwabach. Die werden jetzt realisiert. Der Spatenstich war kürzlich. Und dann das einzige Projekt der Deutschen Bahn, das sie selbst finanziert. Das ist der Lärmschutz an der Chlodwigstraße im Nürnberger Westen für immerhin 800 000 Euro. Das ist jetzt Gott sei dank in trockenen Tüchern. Lange genug hat es ja gedauert.

 

So wie er sich jetzt präsentiert, der neue Bundesverkehrswegeplan, ist er ja noch nicht endgültig.

Burkert: Nein auf keinen Fall. Also bei den Schienenprojekten muss man sagen, ist er leider mit wenig Herzblut gemacht worden. Das stellt sich auch nach Gesprächen mit der Bahn immer mehr heraus. Nehmen sie den Güterzugtunnel im Nürnberger Westen.

 

Der ja aus dem vordringlichen Bedarf in den potenziellen Bedarf herabgestuft wurde und damit kaum Chancen auf Realisierung haben dürfte.

Burkert: Da hat man glaube ich erkannt, dass das so nicht bleiben kann und ich weiß auch, dass der Minister schon im Vorfeld geschaut hat, dass dieses Projekt nicht völlig hinten runter fällt. Ich denke auch, weil die Bahn, obwohl sie es nicht öffentlich zugibt, kaum Interesse mehr an dem Tunnel hat.

 

Wie das denn? Es heißt doch bei der Bahn, der Tunnel sei wegen der Überlastung des Knotenpunktes in Fürth und dem Bau der neuen Schnellbahnstrecke Nürnberg—Berlin unverzichtbar.

Burkert: Der Knotenpunkt im Bereich des Bahnhofs Fürth gehört für mich ohnehin ganz nach oben auf die Prioritätenliste. Der Bahnhof Fürth ist beispielsweise mit rund 15 000 Ein- und Aussteigern pro Tag der größte Bahnhof der noch nicht barrierefrei ist. Wir haben mit Müh’ und Not nach Jahren wieder einen ICE-Halt durchgesetzt.

 

Das hat aber mit den Verzögerungen und Problemen beim Bau des Güterzugtunnels nicht direkt was zu tun. Das Projekt wird ja schon seit vielen Jahren geplant und den Bürgern vor Ort schmackhaft gemacht.

Burkert: Der Städtestreit Nürnberg-Fürth über den so genannten S-Bahn-Verschwenk in Steinach spielt natürlich auch eine Rolle. Die Bahn hat sich hingestellt und gesagt: Wir warten erst einmal ab, wie das alles ausgeht. Jetzt kommt es eben auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts an.

 

Hat denn die Bahn Alternativen für die Abwicklung des Güterverkehrs?

Burkert: Die könnten morgen mit dem Ausbau der Strecke Regensburg–Hof anfangen und den Güterzugverkehr auf diesem Ostkorridor abwickeln. Damit, so sagen sie, wäre der Nürnberger Tunnel nicht mehr nötig, weil die Belastung der Strecke zurückgeht. Und das, obwohl die Prognosen von Steigerungsraten beim Güterzugverkehr von 43 Prozent bis zum Jahr 2030 ausgehen. Deshalb muss der Nürnberger Tunnel gebaut werden. Ich halte ihn für verkehrspolitisch zwingend notwendig. Aber das wird eine schwierige Nummer.

 

Warum, wenn die Fakten so klar für den Tunnel sprechen?

Burkert: Der Tunnel ist nicht nur für Nürnberg wichtig. Die Lärmsituation an der bestehenden Trasse ist ja bekannt. Außerdem will die Stadt hier große Neubaugebiete schaffen. Und ohne Streckenausbau gibt es keinen Lärmschutz. Das gleiche gilt auch für Fürth, dessen Oberbürgermeister ebenfalls den Tunnel angemahnt hat. Ich gehe davon aus, dass sich beide Städte auch noch mal massiv dafür einsetzen. Denn da hängt ja auch die weitere U-Bahn- und S-Bahn-Planung dran.

 

Wie soll es also weitergehen?

Burkert: Jetzt kommt es auch stark auf die Bürgerbeteiligung an, die ja noch bis zum 2. Mai läuft. Wir brauchen eine klare öffentliche Meinung. Besser wäre es nämlich, wenn der Tunnel vor der Kabinettsentscheidung in der Priorität aufrückt. Denn wenn nicht, wird es eine parlamentarische Lösung geben. Und das bei allen Unwägbarkeiten, denn auch andere Parteien haben ihre Vorstellungen.

 

Kommen wir zur Ortsumgehung Stein mit Rednitz-Tunnel. Die Überraschung im Bundesverkehrswegeplan. Haben Sie damit gerechnet?

Burkert: Das war die größte negative Überraschung überhaupt. Das muss man so sehen. Ich war im Vorfeld zweimal beim Steiner Bürgermeister und habe da erfahren, dass er das gar nicht angemeldet hat. Anscheinend war das eine Sache der bayerischen Staatsregierung.

 

Kann man denn über mögliche Hintergründe spekulieren ?

Burkert: Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Ich denke man möchte mit dieser Bundesstraße das Tor nach Nürnberg für die umstrittenen Gigaliner, die Lang-Lkw, öffnen, die ja bislang noch an den Stadtgrenzen ausgesperrt werden.

 

Wie schätzen Sie denn die Realisierungschancen für ein solches Projekt ein?

Burkert: Ich denke, das wird nicht realisiert. Davon bin ich fest überzeugt. Da sagt ja auch die Stadt Nürnberg „Nein“. Ich gehe davon aus, dass alle Stadtteile, die davon massiv betroffen sind, das Projekt ebenfalls ablehnen. Eibach hätte aber, ganz nüchtern betrachtet, davon Vorteile. Dafür steigt die Belastung für Reichelsdorf. Die Straße wäre so vielleicht eine Lösung für Stein und den Landkreis Fürth, aber sie ginge zu stark zu Lasten der Stadt Nürnberg. Aber vielleicht hat die ganze Sache ja auch eine gute Seite.

 

Und die wäre?

Burkert: Man sollte noch einmal über eine U-Bahn nach Stein konkret nachdenken. Sinnvoll wäre eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung und zwar nicht ab Plärrer, wo sie ja negativ ausgefallen ist. Sondern ab Hauptbahnhof. Da sehen die Zahlen dann schon anders aus.

Der Hafen hätte von der Umgehung keinen Vorteil bei der Erschließung von Süden her?

Burkert: Der Geschäftsführer des Nürnberger Hafens lehnt die Straße ebenfalls ab. Das hat er Gott sei Dank klar öffentlich zum Ausdruck gebracht. Der war übrigens genau so überrascht, dass dieses Projekt plötzlich im vordringlichen Bedarf auftaucht. Man müsste verkehrspolitisch ein ganz neues Erschießungskonzept für den Hafen schaffen.

 

Wäre es nicht besser, jetzt das Projekt schon ganz aus dem Bundesverkehrswegeplan herauszunehmen? Dadurch werden ja viele Millionen Euro für andere Vorhaben blockiert, die vielleicht wichtiger sind.

Burkert: Im Endeffekt geht es darum, das Gesicht zu wahren. Besonders für die CSU. Deshalb wird es wohl drin bleiben, wie so viele andere Vorhaben, die da schon seit 30 Jahren draufstehen. Das gilt übrigens auch für die Nordanbindung des Nürnberger Flughafens.

 

Die rangiert jetzt im weiteren Bedarf.

Burkert: Da bin ich froh drum. Da passiert in den nächsten 15 Jahren sicher nichts. Wäre sie in den vordringlichen Bedarf aufgerückt, hätten wir hier einen Riesenärger.

 

Wie geht es jetzt denn weiter mit dem Bundesverkehrswegeplan?

Burkert: Jetzt geht es nach der Öffentlichkeitsbeteiligung in die Detaildiskussion mit vielen Anhörungen und Beratungen. Klar ist: Entschieden ist noch nichts und es muss in vielen Punkten vor allem bei der Schiene nachgebessert werden. Es besteht auch die Möglichkeit, Gelder umzuschichten. Da stecken so viele Milliarden drin, auch in völlig unsinnigen Projekten. Etwa die Verbindungsspange Schweinfurt– Würzburg im Steigerwald — ein tot gerittenes Pferd, ein reines Politikum. Selbst die Staatsregierung lehnt das ab.

 

Wie läuft denn die Öffentlichkeitsbeteiligung? Und werden die Einsprüche überhaupt ernst genommen?

Burkert: Die werden sehr ernst genommen. Jeder bekommt eine Bestätigung vom Ministerium und im Parlament wird es sicher auch eine Rolle spielen, ob es viel oder wenig Widerstand gegen das ein oder andere Projekt gibt. Wir hätten uns aber mehr Bürgerbeteiligung gewünscht. Das muss man ehrlich sagen. Der Server war auf 25 000 Eingaben ausgelegt. Die tatsächliche Beteiligung liegt bisher im niedrigen zweistelligen Bereich. Vielleicht kommt aber jetzt, wo die öffentliche Diskussion losgegangen ist, noch einmal ein Schub.

 

Wann entscheidet das Parlament über den Bundesverkehrswegeplan?

Burkert: Ende Juli geht die Planung ins Kabinett, dann werden die Länder gehört und danach kommt das Parlament zum Zug. Die Entscheidung dürfte dann im Dezember fallen, denn einige baureife Projekte könnten schon im nächsten Jahr umgesetzt werden.

 

 

Wer Einspruch zum Bundesverkehswegeplan einlegen möchte, kann das bis zum 2. Mai tun. Infos unter www.-bmvi.de/bvwp2030-stellungnahme oder per Post: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Referat G 12, Invalidenstraße 44, 10115 Berlin Stichwort „BVWP 2030“.

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