Kann man sich auf Blindenführhunde verlassen?

10.9.2017, 20:53 Uhr
Kann man sich auf Blindenführhunde verlassen?

© Foto: Horst Linke

Es gießt in Strömen. Teresa Honigmann vom Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne betreut den "Dunkelbereich", wie sie sagt. Sie zählt die bunte, mit Capes und Schirmen ausgestattete, Besuchergruppe ab. Trotz des sehr ungemütlichen Wetters sind 13 Erwachsene und sieben Kinder für die Führung gekommen. Viele schwärmen von den schönen Hunden.

"Es wird immer nur von den Hunden gesprochen", so Robert Böhm. Sagt’s und lächelt. Er scheint daran gewöhnt und nimmt’s mit Humor. Er ist Referent für Führhundangelegenheiten im Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund. Aus dem dortigem Arbeitskreis hat er für die Führung weibliche Verstärkung mitgebracht, sowohl auf Halter- wie Hundeseite: Martina Hellriegel mit Phoenix und Regine Lappeßen mit Dina. Er selbst hat seinen Spike dabei.

Mit Führgeschirr im Dienst

Was in offizieller Sprache "Blindenführhund" heißt, kennt der Volksmund als Blindenhund. Im Regen geht es los. Ganz authentisch, denn so ein Hund arbeitet wetterunabhängig und ein Hundehalter muss bei jedem Wetter raus. Eine wichtige Sache sollte jeder wissen: Dass die Vierbeiner sich im Dienst befinden, sobald sie das sogenannte "Führgeschirr" tragen. Dann ist es streng verboten, auf sie zuzugehen, sie zu berühren oder zu füttern. Auch Blickkontakt soll vermieden werden. Das würde Hund und Halter ablenken. Erst wenn das Geschirr unten ist, ist der Hund außer Dienst.

Die drei Führhundgespanne ziehen los. Die Truppe, die Regina Lappeßen in Richtung U-Bahn-Station lotst, läuft aufmerksam hinterher. Gibt es jemanden, der sich von Dina führen lassen will? Herr Neubert meldet sich, bekommt Leine und Führbügel in die Hand, schließt seine Augen. "Ist ungewohnt, das wackelt", sagt er. Dina bahnt für ihn den Weg, Frau Lappeßen gibt dem Hund Hörzeichen.

Gab es was Überraschendes für Herrn Neubert? "Man braucht unglaublich viel Vertrauen", sagt er. Auch das Wackeln des Geschirrs hätte er so nicht erwartet. Frau Lappeßen nimmt Dina wieder an sich: "Je lockerer ich lasse, umso leichter spüre ich, wie der Hund mich führt", gibt sie zu verstehen – und, dass im Extremfall Sicherheit vor Befehl gehe.

Rolltreppe ist tabu

An der ratternden Rolltreppe zur U-Bahn hinunter erleben die Teilnehmer das jetzt selbst: Sie gibt Dina den Befehl, runterzugehen, woraufhin Dina verweigert. In der Führschule hat sie gelernt, dass sie keine Rolltreppen, nur normale Treppen, benutzen darf. Sofort wird Dina gelobt und erhält ein Leckerli. Das Loben sei ebenso wichtig, wie die Anerkennung, dass jeder Hund eine eigene Persönlichkeit sei. Im U-Bahn-Schacht angekommen, reagiert Dina auf den Befehl "Lift", zielt schnurstracks zum nächstgelegenen Aufzug. Petra Stalzer, heute mit ihrer Nichte Nicole unterwegs fragt, wie die Hunde das lernen und erfährt, dass es für die Hunde eine etwa einjährige Ausbildung gibt. Dass Halter und Hund anschließend gemeinsam ein mehrwöchiges Training durchlaufen.

"Wir sind jetzt fünf Jahre zusammen", äußert Lappeßen und betont, wie wichtig es sei, dass der Hund lerne, Fahrrädern und Autos aus dem Weg zu gehen. Nicht nur im Dienst, auch im Freilauf, dann also, wenn ein Hund toben und spielen darf. "Dina hat es verstanden", sagt sie.

Alle drei Führgespanne sind wieder am Ausgangspunkt zurück. Die Hunde ruhen, übrigens alle drei schwarz und von stattlicher Größe. Was bedeutet der Hund für die Halter? Einvernehmlich mehr Lebensqualität. Martina Hellriegel berichtet von einer gewissen Freizügigkeit, einem entspannteren Gehen.

Ein Langstock könne immer nur ein Kontakt-Hilfsmittel sein, mit dem ein Hindernis erst angestupst werden muss. Der Hund hingegen erkennt Hindernisse, weicht aus und steckt eine sichere, zielführende Route ab. Und dann werden da noch Pläne abgesteckt, zwischen Teresa Honigmann und den Hundehaltern. Um auch 2018 weitere Vorführungen anbieten zu können.

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