Karate weckt die Begeisterung für Bücher

Nürnberg - Lesen ist etwas ganz Besonderes: Man taucht ein in fremde, aufregende Welten, lernt zahllose neue Dinge. Jungen lassen sich allerdings viel zu selten darauf ein: Ihr Interesse am Lesen, und dadurch auch ihre Lesekompetenz, ist laut Pisa-Studie bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie bei Mädchen.

Ein Grund ist laut Pädagogik-Professor Wolfgang Tischner von der TH Nürnberg, dass sich der Lesestoff in der Schule zu wenig nach ihren Interessen richte. Und vor allem in Deutschlands Grundschulen fehlen männliche Vorbilder: Nur gut jede zehnte Lehrkraft dort ist männlich.

Um den Jungs das Lesen näherzubringen, hat der Dozent zusammen mit dem Jungenbüro Nürnberg ein Projekt gestartet. Die Schüler einer vierten Klasse in der Reutersbrunnenschule waren die ersten Teilnehmer.

Fürs Vorlesen konnte Tischner den Lehrer und Geistlichen Siegfried Schwemmer gewinnen. Der ist außerdem ein erfolgreicher Karatesportler — passend dazu hat er den neun Schülern aus dem Buch „Im Land der Samurai“ aus der Reihe „Das magische Baumhaus“ vorgelesen.

Damit die Jungs sich die japanische Kampfkunst auch richtig gut vorstellen können, haben die Organisatoren eine echte Samurai-Rüstung samt Schwert mitgebracht — zum An- und Ausprobieren. Und in der Sporthalle zeigt Schwemmer den Schülern ein paar Karate-Übungen. Dafür schlüpft er extra in seinen weißen Anzug mit dem schwarzen Gürtel.

Es darf sogar jeder einmal mit voller Kraft in den Bauch des Karatelehrers schlagen — allerdings nur um zu merken, dass Schwemmer scheinbar nichts davon spürt. „Schmerz passiert nur im Kopf“, sagt er immer wieder. Ähnlich wie das Lesen also.

Vom Lesefieber angesteckt

Obwohl ein paar der Jungs noch nie von sich aus ein Buch in die Hand genommen haben, sind alle von dem Projekt am bundesweiten Vorlesetag begeistert. Sie hängen gespannt an Schwemmers Lippen und beantworten eifrig seine Fragen über die japanischen Kämpfer.

Nun, da das Lesefieber die Jungen gepackt hat, können sie sich reichlich Lesestoff aus den neuen Bücherkisten in der Klasse holen. Die wurden vom Nürnberger Tessloff-Verlag und dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verband (BLLV) gesponsert.

Nach der Karatestunde wollen die Schüler am liebsten sofort wissen, wie das Abenteuer von Philipp und Anne weitergeht, die mit ihrem magischen Baumhaus ins alte Japan gereist sind. Schnell nehmen sie ihrer Lehrerin Astrid Höfler ein Versprechen ab: Entweder muss sie allen das Buch ausleihen oder im Unterricht mit dem Vorlesen weitermachen.