Kein Nachwuchs: Beziehungskrise bei Nürnberger Seekühen

14.1.2018, 05:57 Uhr
Die Seekühe leben im Nürnberger Manatihaus in einer nachgebildeten Amazonaslandschaft - beste Zuchtbedingungen also. Nur bei der Partnerwahl hatte der Zoo das falsche Händchen.

© Horst Linke Die Seekühe leben im Nürnberger Manatihaus in einer nachgebildeten Amazonaslandschaft - beste Zuchtbedingungen also. Nur bei der Partnerwahl hatte der Zoo das falsche Händchen.

"Die Zucht bei den Manatis funktioniert manchmal einfach gut, weil sich zwei Tiere gut verstehen", sagt EEP-Koordinator Lorenzo von Fersen. Als Paradebeispiel dafür nennt er das erste Zuchtpaar, das im Tiergarten Ende der 1970er Jahre für Schlagzeilen sorgte. Flora und Abari, zwei Karibik-Manatis, die aus Guyana stammten, gewöhnten sich schnell im Tropenhaus ein und fanden offensichtlich Gefallen aneinander: "Das waren die beiden Gründertiere in Nürnberg, vergleichbar mit Moby und Eva bei den Großen Tümmlern." 1981 konnte der Tiergarten die erste Geburt einer Seekuh in einem deutschen Zoo überhaupt vermelden; es war auch weltweit erst die vierte.

Fritz hieß dieses Manati-Baby, das allerdings in menschlicher Obhut aufgezogen wurde, weil Mutter Flora es nicht annahm. Die Handaufzucht war tatsächlich eine Welt-Premiere. "Die Pfleger waren unermüdlich im Einsatz, sie mussten erst die optimale Ersatznahrung durch Ausprobieren herausfinden", erinnert sich von Fersen. Ein Experiment, das gelang: Fritz entwickelte sich prächtig und wurde 1994 an den Zoo in Singapur abgegeben.

Das enge Becken im Tropenhaus wurde 1982 vergrößert – und dann flutschte es regelrecht bei der Seekuh-Zucht. Flora und Abari, das erfolgreichste Manati-Zuchtpaar in der Zoogeschichte, hatten zusammen zehn Nachkommen, von denen acht groß wurden. Eine Sensation war die Zwillingsgeburt im Jahr 1986 – die erste in Europa. Noch einmal kamen 1992 Manati-Zwillinge in Nürnberg zur Welt, doch diesmal überlebte nur eines der beiden Jungtiere.

Von Nürnberg in die weite Welt

Im neuen Jahrtausend glückte dem Tiergarten die erste Manati-Aufzucht in der zweiten Generation mit dem Seekuh-Bullen Husar, der 2003 das Licht der Welt erblickte. Insgesamt wurden am Schmausenbuck 19 Seekuh-Babys geboren, von denen 16 überlebten. Heute leben Manatis aus Nürnberg in Zoos auf der ganzen Welt, von Spanien und Italien über Frankreich, die Niederlande und Dänemark bis Japan. Das letzte Jungtier war Herbert im Jahr 2009; er wurde nach Paris abgegeben.

Mittlerweile haben sich die Lebensbedingungen für Seekühe in Nürnberg im Vergleich zum alten Tropenhaus deutlich verbessert: Seit dem Umzug ins Manatihaus im Sommer 2011 geht man neue Wege in der Seekuhhaltung. Die Tiere leben jetzt in einer nachgebildeten Amazonaslandschaft zusammen mit Pacus (in Südamerika beheimatete Salmlerfische) und Schildkröten und haben wesentlich mehr Platz zur Verfügung als in den früheren engen, flachen Becken, in denen einmal elf (!) Tiere zusammenlebten. "Dort haben sie sich vermehrt wie die Weltmeister", erzählt Lorenzo von Fersen.

Ein anderer Partner musste her

Kein Nachwuchs: Beziehungskrise bei Nürnberger Seekühen

© Horst Linke

Besser als jetzt könnte es den Manatis kaum gehen – und doch: Mit der Zucht klappt es nicht mehr. "Dazu gehört bei diesen Tieren mehr als ein Männchen und ein Weibchen", meint der EEP-Koordinator. Der Bulle Zorro, der extra aus Odense (Dänemark) geholt wurde, um für eine Auffrischung des Genpools bei den Seekühen zu sorgen, harmoniert nicht mit Mara – die beiden sind sich einfach nicht grün. Nachdem Mara sogar angefangen hatte, stereotype Verhaltensweisen an den Tag zu legen (sie drehte sich eine Zeitlang um die eigene Achse), schaute man sich nach einem anderen Partner für sie um und wurde schließlich in Frankreich fündig. Der knapp drei Jahre alte Mandillo aus dem Zooparc de Beauval soll es nun richten.

Die Becken im Manatihaus sind so ausgelegt, dass acht Seekühe Platz hätten. Bei dieser Tierart sind mehrere Männer in einer Gruppe kein Problem, obwohl Manatis in freier Wildbahn eher Einzelgänger sind – nur die Mütter bleiben mit ihrem Nachwuchs etwa zwei Jahre lang zusammen. "Ein Bulle drängt eventuell mal einen anderen weg, aber zu Aggressionen kommt es nicht", meint von Fersen.

Männchen frisst aus der Hand

Mandillo zeigt sich seinen Pflegern gegenüber besonders zutraulich: Er ist eine "halbe Handaufzucht", das heißt, er hat erst mit zwei Monaten bei seiner Mutter getrunken. Daher frisst er jetzt auch den Pflegern aus der Hand; daran haben sich Mara und Zorro nun ebenfalls gewöhnt. Das ist im Hinblick auf ein Training der Tiere für medizinische Untersuchungen ein großer Fortschritt. Wobei Seekühe laut von Fersen "so gut wie nie einen Tierarzt brauchen – "letztlich wollen sie nur eines: regelmäßig fressen". Das hängt damit zusammen, dass sie sogenannte Dauerfresser sind: "Ihr Stoffwechsel muss rund um die Uhr am Laufen gehalten werden", erklärt der Fachmann.

Bei Seekühen seien die Chancen auf Zuchterfolg umso größer, je mehr männliche Tiere in der Gruppe leben. Dieses Rezept lasse auch schon die erste positive Auswirkung im Manatihaus erkennen: Mara verhält sich wieder normal, und Mandillo hat schnell Kontakt zu ihr aufgenommen.

"Die Zeit wird zeigen, ob das die Lösung ist", sagt von Fersen. Über das EEP hat er die Information bekommen, dass im Zoo von Genua ein Seekuh-Bulle frei werden soll, den man auch an den Schmausenbuck holen könnte. "Aber so ein Partnertausch bei diesen riesigen Tieren ist schwierig, weil der Transport einen wahnsinnigen logistischen Aufwand erfordert und sehr teuer ist", meint der EEP-Koordinator.

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