Keine Lust, aus der Heimat zu flüchten

17.4.2018, 11:27 Uhr
Keine Lust, aus der Heimat zu flüchten

© Foto: Neue Visionen

Vom Start weg nährt die fein gefilmte Doku (Regie führten "Polizeiruf 110"-Schauspieler Charly Hübner und Sebastian Schultz) den Eindruck, den zuletzt schon die Konzerte von Feine Sahne Fischfilet hinterlassen haben: Künstlerisch gibt die Kleinstadt-Kapelle von der Ostsee nicht allzuviel her, doch ideologisch ist sie umso wichtiger, im Kampf gegen Rechts, in Mecklenburg-Vorpommern, wo Gegen-Nazis-Sein dann doch noch mal etwas anderes ist als im satten sicheren Westen.

Ursprünglich, erzählt Gorkow im Film, ging es auch bei Feine Sahne Fischfilet um Saufen, Sex und Krach machen. Als die Musiker jedoch feststellen mussten, dass vor ihrer Bühne auch Nazis fröhlich mitfeierten, setzte ein Umdenken ein. Die sechs jungen Musiker begannen, sich offen gegen Rechts zu positionieren — und wurden in ihrer Heimat zu Hassfiguren.

Ihre strikt antifaschistische Haltung auf dem flachen Land erhielt bundesweite Aufmerksamkeit, als bekannt wurde, das FSF jahrelang unter polizeilicher Beobachtung standen und regelmäßig in aller Ausführlichkeit im jährlichen Verfassungsschutzbericht von Mecklenburg-Vorpommern gewürdigt wurden, während den zahlreichen Nazi-Kapellen oder auch der Aufklärung der NSU-Morde vor Ort nicht halb so viel Aufmerksamkeit zu teil wurde. Entsprechend lustig ist die Szene im Film, in der "Monchi" den aufrechten Verfassungsschützern zum Dank für ihre vorzügliche Werbung für die Band einen Geschenkkorb vorbei reicht und dieser vom diensthabenden Beamten freudig entgegengenommen wird ...

"Wildes Herz" erzählt jedoch nicht die Geschichte der Band Feine Sahne Fischfilet, sondern tatsächlich über den Menschen "Monchi" — und geht auch dahin, wo es weh tut. Man sieht peinliche Kinderfotos des Sängers, erlebt mit, wie schwer er sich bei den Gesangsaufnahmen im Studio tut.

Auch in den zahlreichen Interviews kommt der dicke Riese nicht immer gut weg. Als Narzisst bezeichnet ihn die Ex-Freundin, als Riesenbaby der WG-Mitbewohner. Die Wahrheit liegt wohl wie so oft irgendwo in der Mitte.

Die Eltern standen zu ihm

Berührend ist, wenn "Monchis" Eltern vor der Kamera von der veritablen, im Film überraschend unkritisch verhandelten Karriere ihres damals noch minderjährigen Sohns in der Ultra-Szene von Hansa Rostock erzählen. Da gab es regelmäßig Stress mit Polizei und Justiz, doch die Eltern hielten stets zu ihrem Filius, so schlimm das alles für sie war.

Nicht zuletzt ist "Wildes Herz" aber auch ein Heimatfilm – denn "Monchi" und seine Band leben gerne in MeckPomm und haben keine Lust, von dort fortzugehen, nur weil es vor ihrer Haustür Nazistrukturen gibt. Fazit des Films: Nette Geschichte, die man erzählen kann, aber nicht muss.

Als Jan "Monchi" Gorkow und Produzent Lars Jessen ("Fraktus") auf ihrer "Wildes Herz"–Kinotour im Casablanca-Kino vorbeischauen, ist der Saal voll mit jungen Menschen, die ihre linke Gesinnung auf T-Shirts und Turnbeuteln zur Schau tragen — und die den Sänger als Held der Bewegung feiern. Eine Rolle, die dem 31-Jährigen nicht immer geheuer ist. Gefragt, was man denn tun solle, um mehr Leute auf Anti-Nazi-Demos zu kriegen, wird er ernst. Und betont, dass ihn die Frage ratlos macht. "Alles, was ich getan habe, war, mit meinen Leuten zu Hause bei mir etwas zu unternehmen. Was Ihr machen sollt, das kann ich Euch nicht sagen. Ihr werdet eine Entscheidung treffen, und hoffentlich wird es für Euch die richtige sein." STEFAN GNAD

"Wildes Herz" läuft u. a. im Nürnberger Casablanca, Brosamer Straße 12.

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