Kind in Türe eingeklemmt: U-Bahn fährt trotzdem los

28.12.2016, 07:56 Uhr
Kinder beim Einsteigen: Eine stressige Situation für Betreuerinnen, auch wenn die Gummilippen an den Türen der U-Bahn auf Störungen reagieren.

© Eduard Weigert Kinder beim Einsteigen: Eine stressige Situation für Betreuerinnen, auch wenn die Gummilippen an den Türen der U-Bahn auf Störungen reagieren.

Sie habe einen gellenden Schrei gehört, berichtet eine Zeugin des Vorfalls, der sich am ersten Weihnachtsfeiertag kurz nach 17 Uhr abspielte. Mit dem Bein - oder dem Hosenbein - sei das Kind in der geschlossenen Türe festgeklemmt gewesen und fast mitgezogen worden. Der Zug der U1 in Richtung Hauptbahnhof sei trotzdem losgefahren, der Fahrer habe offenbar nichts bemerkt.

Mehrere Menschen, die am Bahnsteig warteten, kamen dem Schreienden zu Hilfe. Ein unbekannter Mann, so die Zeugin, sei sofort hingerannt und habe den Jungen schließlich losgerissen.

Anschließend legten die Helfer das erschrockene Kind, dessen Hose zerfetzt war, auf eine Wartebank. Man habe es eindringlich befragt, ob alles in Ordnung sei, was es bejahte. Das Angebot, es mit dem Taxi zu seinen Eltern in Langwasser-Mitte zu fahren oder sicherheitshalber die Sanitäter zu holen, habe der Junge abgelehnt. Er stand vermutlich unter Schock und wollte zusammen mit einem gleichaltrigen Freund lieber selbstständig nach Hause fahren. Niemand fragte den Geretteten nach seinen Personalien.

Wie und warum es überhaupt zu dem gefährlichen Vorfall kam, den die Videokameras am Bahnsteig aufgezeichnet haben müssen, konnte die VAG am Dienstag bis Redaktionsschluss nicht erklären. Pressesprecherin Elisabeth Seitzinger zeigte sich allerdings verwundert darüber, dass keiner der beteiligten Fahrgäste den Notruf betätigt oder sich anderweitig an die VAG-Zentrale gewendet hat. Auch die Leitstelle habe den Vorfall nicht wahrgenommen.

Strom wird unterbrochen

Die "Gummilippen" an den Türen reagieren normalerweise auch auf kleine Störungen. Selbst eine Hundeleine werde registriert, so Seitzinger. Während bei neueren Zügen die Türen automatisch wieder öffnen, leuchtet bei den älteren auf dem Display im Führerstand ein rotes Licht auf. Gleichzeitig wird der Strom unterbrochen, der Zug kann nicht anfahren. Auch fahrerlose Züge werden bei Druck auf die Türgummis sofort gestoppt.

Vor zehn Jahren hat die VAG das Sicherheitssystem nachgerüstet, nachdem es zu mehreren Unfällen gekommen war. Die alte Technik hatte erst auf Gegenstände ab sechs Zentimetern Dicke reagiert. Mit fatalen Folgen: Eine 14-jährige Nürnberger Schülerin, die im letzten Moment zusteigen wollte, war 1999 mit dem Fuß eingeklemmt und 70 Meter mitgeschleift worden. Sie wurde verletzt, während ein 17-Jähriger später einen ähnlichen Unfall glimpflich überstand.

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