Knochenfund in Nürnberger Baugrube: Nun herrscht Klarheit

9.2.2018, 07:48 Uhr
Die entdeckten Gebeine sind die menschlichen Überreste von fünf auf dem Hügel erhängten Männern, ist sich der Forscher sicher.

© Horst Linke Die entdeckten Gebeine sind die menschlichen Überreste von fünf auf dem Hügel erhängten Männern, ist sich der Forscher sicher.

Die Bagger schaufeln auf der Großbaustelle an der Flaschenhofstraße 2–8 Gruben für geplante Wohnhäuser aus. Am Montag wurden die Arbeiten aber kurz unterbrochen, da eine Baggerschaufel auf Höhe der Flaschenhofstraße 2 Knochen von Menschen zu Tage förderte. Die Kripo wurde eingeschaltet, die Überreste, die bis zu acht Meter tief im Boden lagen, kamen in Kartons ins Polizeipräsidium. Eigentlich sollten die fünf zum Teil erhaltenen Schädel sowie die zahlreichen Arm- und Beinknochen zur Rechtsmedizin gebracht werden.

Doch die Kripo nahm erst Kontakt mit dem Stadtarchäologen John Zeitler auf. Die beiden Kartons landeten so bei ihm im Depot, das im Kolosseum am Dutzendteich untergebracht ist. "Wir haben das Grundstück an der Flaschenhofstraße vor Baubeginn sondiert, weil wir so etwas schon ahnten", sagt er. Gefunden hätten die Archäologen damals nichts, jetzt stieß ein Bagger "im hinteren Eck der Baustelle" auf die Überreste. Es sind die Knochen von fünf Männern, die vor 1809 am Galgen im heutigen Stadtteil Galgenhof hingen. "Die Stadt ließ hier verurteilte Mörder und Totschläger aufknüpfen." 

Städtischer Archäologe klebt Schädelfragmente zusammen

Die berüchtigte Hinrichtungsstätte stand von anno 1441 bis 1809 auf einem Hügel, nur wenige Meter südlich vom Bahntunnel an der Allersberger Straße entfernt - heute ist hier ein nagelneues Studentenwohnheim. Zu den Hinrichtungen kamen immer Tausende. Sie wollten dabei sein, wenn Verurteile gehängt wurden. Die Toten baumelten oft tagelang direkt an der alten Handelsstraße. Sicher, um Fremde, die sich der Stadt näherten, abzuschrecken. Aber auch, weil sie auf den geweihten christlichen Friedhöfen nicht bestattet werden durften. "Die Angehörigen der Hingerichteten nahmen bei Nacht-und-Nebel-Aktionen die Leichen vom Balken ab und verscharrten sie auf Wiesen und Feldern in der näheren Umgebung“, erklärt Zeitler.

Die entdeckten Gebeine sind die menschlichen Überreste von fünf auf dem Hügel erhängten Männern, ist sich der Forscher sicher. Vor 1809 haben in dieser Umgebung kaum Häuser gestanden. In alten Polizeiberichten aus dem 19. Jahrhundert gebe es Hinweise auf mehrere solcher Funde, als die Flächen vor den Toren Nürnbergs, der heutigen Marienvorstadt, in der die Flaschenhofstraße liegt, nach und nach bebaut wurden.

Der städtische Archäologe klebt die Schädelfragmente zusammen wie Tonscherben einer historischen Vase. Die Gebeine sollen archiviert werden. In seinem Depot im Kolosseum lagern die Knochen von rund 500 Menschen, die bei Ausgrabungen der vergangenen Jahre in Nürnberg gefunden wurden. Obwohl die Leute im Galgenhof schon vor langer Zeit umkamen, berührt ihn das trotzdem: "Einer der Gehängten aus der Flaschenhofstraße war erst 16. Der hatte noch sein ganzes Leben vor sich."

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